Sparen: Gestern, heute und morgen

Am 22. März wurde die Ausstellung „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“ eröffnet, die das tradierte Sparverhalten der Deutschen auch vor dem Hintergrund aktueller internationaler Kritik betrachtet. Hansjörg Leichsenring, Banker und Betreiber des Bank Blogs, nimmt die Ausstellung zum Anlass, eine kleine Geschichte des deutschen Sparverhaltens zu zeichnen und einen Ausblick auf die zukünftige Sparmotivation der Deutschen zu wagen.

Geld macht bekanntlich nicht glücklich, Sparen anscheinend schon. Vielleicht deswegen, weil es manch einem ermöglicht, in Ruhe nach dem Glück Ausschau zu halten?

Deutschland wird traditionell als „Nation der Sparer“ bezeichnet. Die Deutschen scheinen aus Überzeugung gerne und ausdauernd zu sparen und lassen sich auch durch niedrige Zinsen nicht davon abhalten. Verständlich also, dass sich eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin unter dem Titel „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“ dem Thema widmet.

Wie populär Sparen bei uns seit jeher ist, zeigt der erste deutsche Tonfilm „Melodie des Herzens“. Willy Fritsch (allgemein bekannt geworden durch Die Drei von der Tankstelle) himmelte darin seine Partnerin im Mondschein mit den wenig romantisch anmutenden Worte an:

„Ich spare nämlich auf ein Pferd.“

Gemeint war damit kein Reitpferd sondern der Grundstock für die Existenzgründung eines eigenen Fuhrunternehmens. Die Angebetete antwortete – nachdem sie sich Gewissheit über die ernsthaften Absichten des um sie Werbenden verschafft hatte – darauf:

„Ja, jetzt fange ich auch an zu sparen. Denk nur, wie viel früher wir dann das Pferd kaufen können.“

Bedenken sollte man dabei, dass der Film im Jahr 1929 erschien, also nur gerade mal sechs Jahre nach der vollständigen Entwertung der Sparguthaben durch die Inflation 1923, auf die in der Ausstellung unter der Rubrik „Sparen in der Weimarer Republik“ eingegangen wird.

Die Tradition des Sparens

Fest steht: Sparen hat hierzulande Tradition. Vor rund 240 Jahren wurde in Hamburg die erste Sparkasse gegründet. Damit bekam das Sparen einen institutionellen Rahmen. Die Menschen mussten ihr Geld nicht mehr in den berühmten Sparstrumpf füllen oder unter der Matratze verstecken, sondern konnten es einer vertrauenswürdigen Institution übergeben. Diese wachte darüber, dass nichts vom Ersparten wegkam und vermehrte es sogar durch Zahlung von Zinsen.

Auch das Schulsparen wurde fester Bestandteil der kindlichen Früherziehung. Das Hinführen zum Sparen war Bestandteil des „öffentlichen Auftrags der Sparkassen“. Natürlich war es auch ein Weg, neue Kunden zu gewinnen, getreu dem Motto „von der Wiege bis zur Bahre…“.

Ich kann mich noch gut an mein persönliches erstes Sparerlebnis erinnern. Zur Einschulung gab es von der örtlichen Sparkasse ein Schulsparheft als Geschenk. Dort konnte man Sparmarken einkleben. Für eine Marke musste man bei einem Vertrauenslehrer 50 Pfennig einzahlen. Mit dem vollen Heft ging man dann zur Sparkasse und eröffnete dort ein Spar(kassen)buch. Zusätzlich zu den fünf D-Mark, die man selbst gespart hatte, erhielt man dann weitere fünf D-Mark als Geschenk von der Sparkasse.

Wenn man bedenkt, wieviel manuelle Arbeit dahintersteckte, würden findige Unternehmensberater aus heutiger Sicht das Ganze als ineffizienten und zu optimierenden Prozess brandmarken. Zudem ist die Ansprache von Kindern in der Schule – nicht zuletzt aus Gründen des Datenschutzes – umstritten, wie eine Google-Suche nach „Schulsparen“ schnell zeigt. Die meisten Institute haben sich daher aus dem Schulsparen zurückgezogen. Dies ist umso bedauerlicher, wenn man Untersuchungen sieht, wonach die Mehrheit der Deutschen ein vergleichsweise schlechtes Finanzwissen aufweist, bzw. ihren Kenntnisstand in Sachen Finanzen überschätzt.

Klassisches Sparen führt zu Geldverlust

Weltweit zählt Deutschland zu den Ländern mit der höchsten Sparquote, wie OECD-Zahlen belegen. Allerdings weist dieses Bild Risse auf. Einer aktuellen Umfrage zufolge, hat immerhin ein Viertel der deutschen Verbraucher keine Ersparnisse. Das ist unter den 13 europäischen Ländern sowie Australien und den USA der zweithöchste Anteil. Diejenigen Deutschen, die etwas auf der hohen Kante haben, sparen hingegen überdurchschnittlich viel. Mithin ist das Bild vom „Land der Sparer“ durchaus differenziert zu betrachten.

Zudem sparen die Deutschen größtenteils falsch. Sie bevorzugen noch immer vor allem festverzinsliche Anlageformen. Bis heute werden das gute alte Sparbuch, das es in Buchform heute kaum mehr gibt, Festgelder und Anleihen gegenüber Aktien und Aktienfonds vorgezogen, obwohl letztere – historisch betrachtet – eine höhere Rendite versprechen. So verliert einer kürzlich veröffentlichten Studie zufolge sogar ein einzelner Haushalt auf diese Weise im Durchschnitt 872 Euro pro Jahr.

Neben dem unzureichenden Kenntnisstand in Sachen Finanzen, stellt auch das institutionelle Konstrukt einen wesentlichen Grund dafür dar. Banken und Sparkassen haben nämlich über viele Jahrzehnte vor allem die über das Sparen eingesammelten Einlagen im Blick gehabt. Diese wurden als Kredite (lange Zeit ausschließlich) an Unternehmen ausgeliehen und von der Differenz (Zinsmarge) konnten die Kreditinstitute gut leben.

Die Kreditinstitute, darunter vor allem die Sparkassen, haben erst spät erkannt, dass private Verbraucher als Kunden und vor allem das Wertpapiergeschäft durch seine Provisionen geschäftspolitisch überaus interessant sind.

Zudem fördert der Gesetzgeber zwar das Sparen, stellt aber zugleich hohe Ansprüche an die Anlageberatung. Aus Verbraucherschutzgründen ist dies zwar nachvollziehbar, führt aber auch dazu, dass Wertpapiere bei uns weniger populär sind, als in anderen Ländern.

Übernehmen zukünftig Roboter das Sparen?

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat die Digitalisierung massiv Einzug in den Alltag von Unternehmen, Menschen und Gesellschaft gehalten. Auch der Umgang mit Finanzen und das Verhältnis zu Finanzinstituten unterliegen einem Wandel. Verstärkt wird dies durch junge technologie-getriebene Unternehmen, den sogenannten FinTech-Startups. Diese gehen mit innovativen Ideen und Konzepten neue Wege, um vor allem junge Kunden und Finanzdienstleistungen zusammenzubringen.

Dies hat Auswirkungen, auch auf das Sparen. So gibt es mobile Apps, die automatisch überschüssige Kundengelder – nach Sparzielen differenziert – anlegen und dem Kunden regelmäßig über die Fortschritte berichten. Auch der Zugang zu bislang unterrepräsentierten Sparformen soll durch digitale Unterstützung erleichtert werden. Sogenannte Robo Advisor bieten Kunden auf die persönliche Bedarfssituation abgestimmte Anlagestrategien in Wertpapierfonds und börsengehandelte Indexfonds (sogenannte Exchange Traded Funds oder ETFs). Bedarfsermittlung, Überwachung und Anpassungen werden dabei digital durch intelligente Technologien automatisiert. Neue Technologien aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz werden diese Entwicklung noch verstärken.

Ausblick

Sparen wird in Deutschland auch weiterhin eine hohe wirtschaftliche gesellschaftspolitische Bedeutung haben. Konsum, Altersvorsorge und Wohneigentum stehen bei den Sparmotiven seit Jahren unverändert an den ersten drei Stellen. Daran wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern.

Das entscheidende Argument jedoch, warum auch weiterhin gespart wird: Sparen macht zufriedener. Es macht stolz auf die eigene Leistung und steigert die Zufriedenheit. Selbst für Menschen mit geringen Ersparnissen bedeuten vorhandene Ersparnisse ein gutes Gefühl. Und regelmäßiges Sparen macht besonders zufrieden: 81 Prozent der Menschen, die jeden Monat Geld sparen, erklären, dass sie zufrieden sind.

Wer mag ob dieser Zahl noch daran zweifeln, dass Sparen nicht nur eine interessante Vergangenheit, sondern auch eine spannende Zukunft hat?

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Experte für Banking, Innovation, Digitalisierung, Social Media, Change Management, Kundenservice und Vertrieb.
Er befasst sich seit über 30 Jahren beruflich mit Banken und Finanzdienstleistern. Nach einer Banklehre studierte er Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Mainz und St. Gallen und arbeitete danach in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers.
Als Herausgeber des Bank Blogs berichtet er über aktuelle und grundsätzliche Entwicklungen der Finanzbranche und ist außerdem Redner und Moderator im In- und Ausland.