Alles Fisch oder was?
Seit 2007 gibt es offiziell den Tag der Fische. Seitdem wird weltweit alljährlich am 22. August auf die bedrohten Fischarten und auf Möglichkeiten für deren Schutz aufmerksam gemacht. Auch unsere Ausstellung „Europa und das Meer“ thematisiert die Rolle des Fisches als Ressource der Europäer und als Gegenstand der Meeresforschung. Thomas Eisentraut, Kurator der Ausstellung, schreibt anlässlich des Tags der Fische für den DHM-Blog. Neben der historischen Bedeutung des Fischfangs kommen dabei auch die ökologischen Probleme zur Sprache, die heute mit der Überfischung und der Vermüllung der Meere einhergehen.
Für die Europäer spielte der Fisch durch alle Jahrhunderte hindurch eine zentrale Rolle. Bereits vor mehr als 100.000 Jahren angelten sie in Flüssen, Seen und Meeren. Fisch war in großen Mengen vorhanden, kostengünstig beziehbar und galt daher als „Arme-Leute-Essen“. Seit dem Mittelalter kam dem Fisch zudem als Fastenspeise große Bedeutung zu: In den katholischen Gebieten Europas war an Fastentagen – etwa 180 bis 200 Tage im Jahr – der Konsum von Fleisch verboten, was zu einer enormen Steigerung des Fischkonsums führte. Fisch wurde zur wertvollen Ressource. Der Fischfang entwickelte sich zu einem lukrativen Geschäft.
Nordeuropa als Vorreiter: Fischfangmethoden und Konservierung
Die Fischfangmethoden in Europa unterscheiden sich stark regional und sind von den jeweiligen Besonderheiten der Gewässer abhängig. Bis heute gelten die nordeuropäischen Gewässer als besonders fischreich. Viele Europäer verbringen ihren Sommerurlaub in Norwegen und erfreuen sich an den großen Lachsfischen, die sie spielerisch leicht angeln können. Die legendären Heringsschwärme wurden in den frühneuzeitlichen Schriftquellen gar als „Silber des Meeres“ bezeichnet. Bereits im 16. Jahrhundert dokumentierte der schwedische Bischof Olaus Magnus (1490–1557) die schier unvorstellbar riesigen Fischfanggründe rings um Skandinavien. In seiner „Beschreibung der Völker des Nordens“ berichtete er über die verschiedenen Fangmethoden und die Besonderheiten einiger Fischarten und ließ diese visuell mittels zahlreicher Holzstiche festhalten. Unser Wissen über den nordeuropäischen Fischfang in der Frühen Neuzeit stammt größtenteils aus seinen Beschreibungen.
Der frisch gefangene Fisch musste für den Transport ins Hinterland und den dortigen Verkauf haltbar gemacht werden. Verschiedene Konservierungsmethoden konnten sich schließlich durchsetzen: Der gesalzene, der luftgetrocknete und der geräucherte Fisch.
Vom Stockfisch zu den Kabeljaukriegen
Insbesondere der an der Luft getrocknete Stockfisch – vorrangig Kabeljau, Schellfisch, Seelachs oder Lengfisch – wird seit dem 8. Jahrhundert in einem immer gleichen Verfahren auf den norwegischen Lofoten verarbeitet. Jeweils zwei Fische wurden paarweise an den Schwanzflossen zusammengebunden und an einem Holzgerüst (norwegisch stokk) aufgehängt. Die klimatischen Verhältnisse auf den Lofoten eigneten sich hervorragend für dieses Verfahren, boten sie doch konstante Wetterbedingungen mit ausreichend Sonnenschein, Wind und gleichbleibenden Temperaturen.
Nach mehreren Wochen war der Fisch gut konserviert und bis zu fünf Jahre haltbar. Stockfisch ließ sich stapeln und war daher kostengünstig zu transportieren. Bereits die Wikinger liebten und aßen ihn in großen Mengen, galt er doch als nahrhafte Bordspeise auf den langen Seefahrten. Doch auch die Hanseaten erkannten den wirtschaftlichen Wert des Stockfisches. Sie erhielten das königliche Monopol für den Stockfischhandel und verschifften den Fisch von der norwegischen Hafenstadt Bergen nach ganz Europa.
Wie wichtig der Fischfang sowohl aus nahrungstechnischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen ist, zeigt sich daran, dass zeitweise Krieg um Fischfanggebiete geführt wurde. In Erinnerung geblieben sind die sogenannten Kabeljaukriege in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1958 und 1975 kam es mehrfach zum Konflikt zwischen Island und dem Vereinigten Königreich. Anlass der Streitigkeiten war die Ausweitung der isländischen Fischereigrenzen zu Ungunsten ausländischer Fischer. Island gelang es schrittweise seine Ausschließliche Wirtschaftszone (AZW) von vier Seemeilen auf 200 Seemeilen auszuweiten. Seit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen im Dezember 1982 gilt international die 200-Seemeilen-Zone als Fischereigrenze. Die Fischfanggründe wurden folglich stetig ausgeweitet.
Die Zukunft der weltweiten Fischbestände – bald mehr Plastik als Fisch?
Der natürliche Lebensraum der Fische verkleinert sich zunehmend. Heute ist die Menschheit theoretisch in der Lage sämtliche Fischbestände in den Meeren zu fangen. Dazu beigetragen hat die Erfindung von modernen technischen Fanggeräten. Riesige Schleppnetze zerstörten dabei jedoch die Flora und Fauna in den Meeren auf lange Sicht. Fischschwärme werden heute mittels Sonartechnik gezielt gesucht und gejagt. Forscher ermittelten für das Jahr 2013, dass 31 Prozent der weltweiten Meeresfische überfischt waren, 58 Prozent vollständig befischt und nur 10 Prozent der Fischbestände noch nicht über ihre Grenzen befischt worden waren.
Zudem schwimmen jeden Tag mehr und mehr Plastikabfälle in den Meeren. Wissenschaftliche Studien besagen, dass im Jahr 2050 mehr Plastik als Fisch in den Weltmeeren schwimmen könnte. Neben der ökologischen Aquakultur wird auf lange Sicht nur ein nachhaltiger Fischfang dafür sorgen können, dass die Artenvielfalt und die maritime Ressource Fisch erhalten bleibt.
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Thomas EisentrautDer Historiker Thomas Eisentraut, M.A. studierte Geschichte und Skandinavistik an den Universitäten Greifswald und Kiel und ist Kurator der Ausstellung „Europa und das Meer“. |