Unterwegs auf dem #WegDerDemokratie

Ellen Poschen | 27. Mai 2019

Vor gut einem Jahr haben wir uns im Haus der Geschichte auf den Weg gemacht – auf den „Weg der Demokratie“. Nicht immer ein einfacher Weg. Aber immer ein spannender und auch überraschender.

Ich spreche über unser Projekt, das schon 2004 begonnen hat. Solange gibt es den „Weg der Demokratie“ in Bonn bereits. Er verbindet mittlerweile 64 historische Orte in Bonn und Umgebung, die die Demokratie in der Bundesrepublik geprägt haben und es teils immer noch tun. Ohne diese demokratischen Anfänge in der provisorischen Hauptstadt Bonn wäre unser Land heute wohl ein ganz anderes. Wer Geschichte spüren und mit eigenen Augen sehen möchte, der begibt sich am besten an die frische Luft und erkundet diesen Weg über www.wegderdemokratie.de. Wir erzählen dort, was ein zoologisches Forschungsmuseum mit unserem Grundgesetz zu tun hat, wie beengt und bescheiden der Bundeskanzler in Bonn lebte, oder warum die SPD erst einmal in einer „Baracke“ hauste.

Screenshot der Webseite „Weg der Demokratie“, Startseite © Stiftung Haus der Geschichte

 

Historische Orte und ihre Geschichten

Auch wir Onliner sehen nun viele dieser historischen Orte um uns herum mit anderen Augen. Die Rosenburg, die ich jeden Tag auf dem Weg ins Büro sehe, ist für mich nicht mehr nur eine schicke Villa, die früher von Weinbergen umgeben war. Hinter dieser massiven Fassade entstanden viele neue Gesetzesvorlagen für die noch junge Bundesrepublik. Aber in kaum einem Ministerium waren nach 1949 so viele ehemalige NSDAP-Mitglieder beschäftigt wie im Justizministerium. So steht es in der „Akte Rosenburg“ von 2016, in der die NS-Verstrickungen des Ministeriums aufgearbeitet worden sind. In der verwunschen wirkenden Villa arbeiteten Regimegegner mit ehemaligen Nazi-Juristen zusammen an der Verfolgung von NS-Straftätern. Das konnte trotz des ersten Bundesjustizministers der Liberalen, Thomas Dehler, nicht gut gehen. Viele Täter kamen straffrei davon.

Screenshot der Webseite „Weg der Demokratie“, Karte: Rosenburg © Stiftung Haus der Geschichte

Es sind solche Geschichten, die die Atmosphäre der Anfangsjahre unseres Landes erfahrbar machen. Die Widersprüche, die Zerrissenheit, der nicht immer einfache Umgang mit der Vergangenheit; das alles wird auf dem „Weg der Demokratie“ genauso erlebbar wie die Aufbruchstimmung der jungen Bundesrepublik: der Wille zur Transparenz, die Bürgernähe. Journalistinnen und Journalisten arbeiteten in der Dahlmannstraße, nur einen Katzensprung von Regierung, Bundestag und Kanzler entfernt. Von dort aus schauten sie den Mächtigen auf die Finger und waren mittendrin im politischen Geschehen. Nur zwei Minuten brauchten die Politiker in den 1960er-Jahren von den Abgeordneten-Wohnungen bis zu ihren Büros im Langen Eugen, drei Minuten bis zum Plenarsaal des Bundestages. Die Nähe – ein Markenzeichen der Bundeshauptstadt Bonn. Im großen Berlin haben später viele diese kurzen (Dienst-)Wege vermisst.

70 Jahre Grundgesetz

Schon als Geschichtsstudentin in Bonn hätte ich mich auf den „Weg der Demokratie“ machen können. Ich muss gestehen, ich habe ihn schlichtweg übersehen. Damit es den Anderen jetzt nicht genauso so geht, hat das Haus der Geschichte zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes die Webseite „Weg der Demokratie“ vollkommen neu gestaltet. In einer Zeit, in der die Demokratie nicht bedingungslos geliebt wird, liegt sie uns ganz besonders am Herzen. Wir wollen am liebsten alle mitnehmen auf diesen Weg. Die Bonner und alle Besucher der Stadt laden wir mit der neuen Webseite www.wegderdemokratie.de ein, sich auf einer interaktiven Karte von historischem Ort zu historischem Ort navigieren zu lassen. Ob zu Fuß, per Rad oder mit der Bahn. Beim Demokratie-Spaziergang liefert die Webseite jede Menge Infos zum historischen Ort, den politischen Akteuren, zur Geschichte. Historische Fotografien und Hörbeiträge zu besonderen Ereignissen der bundesdeutschen Geschichte sind natürlich nicht nur für Spaziergänger vor Ort interessant, sondern für alle Demokratiefreunde, egal, wo sie in dieser Republik oder darüber hinaus unterwegs sind. Und wer mit Politik nicht ganz so viel am Hut hat, der kann auch die Architektur-Route oder den Villenweg einschlagen. Jeder User kann sich seine Lieblingsorte zusammenstellen und teilhaben – auf dem Weg der Demokratie.

Ellen Poschen ist Historikerin und Journalistin. Seit 2017 leitet sie die Online-Redaktion der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die neue Webseite „Weg der Demokratie“ ist am 20. Mai 2019 online gegangen. Dieser Beitrag wurde im Rahmen der Blogparade #DHMDemokratie verfasst.