Die „Maximiliansarmbrust“
Felix Jaeger | 28. Oktober 2019
Die Armbrustsammlung des DHM gehört zu den bedeutendsten ihrer Art. Zwei besonders wertvolle Stücke stammen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Privatbesitz Kaiser Maximilians I. (1459–1519). Dessen Todestag jährte sich im Januar dieses Jahres zum 500. Mal – Grund genug für Felix Jaeger, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator der Ausstellung „Die Armbrust – Schrecken und Schönheit“, die Objekte genauer unter die Lupe zu nehmen.
Maximilian I. war nicht nur ein großer Reformer, sondern ein mindestens ebenso leidenschaftlicher Jäger. Die Armbrust war dabei seine bevorzugte Jagdwaffe. Ihre Vorteile gegenüber dem Bogen lagen klar auf der Hand: einmal gespannt, konnte die Beute mit ihr in Ruhe anvisiert werden. Auch gegenüber den bereits vorhandenen Feuerwaffen hatte die Armbrust einiges zu bieten: Ihr Schuss war nahezu lautlos und nicht mit der Entwicklung von Rauch und Geruch verbunden, der weiteres Wild verschreckt hätte.
Wer soll das denn alles essen!?
Die höfische Jagd war ein wichtiges Statussymbol des frühneuzeitlichen Adels. Sie war ein willkommenes Mittel, um sich von den nichtadligen Schichten deutlicher abzugrenzen. Darüber hinaus wurde die fürstliche Hofjagd aber auch als Rahmenprogramm für diplomatische Verhandlungen genutzt. Es war nicht unüblich, dass hunderte (zum Teil vorher vorsorglich ausgesetzter) Tiere anlässlich eines hohen Besuches an einem Tag ihr Leben lassen mussten. Maximilian bildete keine Ausnahme: Er selbst soll einst an einem halben Tag zehn Hirsche geschossen haben, bei anderer Gelegenheit mit 105 Bolzen ganze 100 Enten erlegt und ohne einen einzigen Fehlschuss 26 Hasen nacheinander getroffen haben. Ein wahrer Meisterschütze also?
Medien im Dienst der Politik
Ob diese Zahlen nun der Wahrheit entsprechen, oder ob sie doch eher dem Wunschdenken des Kaisers entstammen, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist, nicht zuletzt für Maximilian, dass sie überliefert sind. Als Meister der Selbstinszenierung war er einer der ersten Monarchen, die die Bedeutung der noch jungen Drucktechnik verstanden hatten und zu nutzen wussten, um ein Gedächtnisprogramm rund um die eigene Person aufzubauen. Der sogenannte Theuerdank und der Weißkunig – beides Ritterepen, die Auszüge aus dem Leben Maximilians in glorifizierender Manier wiedergeben – sind vor diesem Hintergrund als autobiografische Werke zu verstehen. Ihre Vollendung fand die Inszenierung seiner Kaiserwürde in der Ehrenpforte, einem überdimensionalen Holzschnitt, der 1517 fertiggestellt wurde und in dem die Reichsidee Maximilians auch bildlich und für jeden sichtbar zum Ausdruck kam.
Eine ähnliche Art des Vermächtnisses, wenngleich rein privater Natur, findet sich auch in der Darstellung eines Jägers auf dem Bogenrücken einer der beiden Armbruste. Auf der rechten Seite legt er mit einer Armbrust auf einen Hirsch an, die linke zeigt ihn mit Sauspieß vor einem heranstürmenden Eber. Beide Jägerdarstellungen weisen dabei durchaus Ähnlichkeit mit zeitgenössischen Darstellungen Maximilians im Jagdgewand auf. Da es sich wohl um Anfertigungen in seinem persönlichen Auftrag handelte, darf angenommen werden, dass er sich auch darauf verewigt wissen wollte.
Mehr als nur eine Waffe
Die Bogen der beiden ausgestellten „Maximiliansarmbruste“ sind ohnehin reich mit Gravuren und Ätzungen verziert. Beide tragen zudem lateinische oder biblische Sinnsprüche, in der die tiefgehende soziale Frömmigkeit am Beginn des 16. Jahrhunderts zum Ausdruck kommt. Ihr konnte sich natürlich auch ein hoher Herrscher vom Format des römisch-deutschen Kaisers nicht entziehen. Im „O MATER DEI MEMENTO MEI“ – Mutter Gottes, erinnere dich meiner – kommt der demütige Wunsch des Monarchen nach göttlicher Gnade zum Ausdruck, während „SPERO LVCEM“ – Ich hoffe auf Licht (Hiob 17, 12) – auch ein Zeichen tiefen Vertrauens auf diese göttliche Zuneigung darstellt. „SI DEVS PRO NOBIS QVIS CONT[RA] NOS“ – wenn Gott für uns ist, wer wäre dann gegen uns? Dieser biblische Wahlspruch (Römer 8, 31) könnte vor dem Hintergrund der dynastischen Bedeutung der Habsburger jener Zeit zudem als selbstbewusstes Statement verstanden werden, das an die folgenden Generationen weitergegeben werden sollte. Ähnliche Beschriftungen finden sich übrigens auch an den fünf anderen erhaltenen „Maximiliansarmbrusten“ im Musée de l’Armée in Paris und in der Wiener Hofjagd- und Rüstkammer.
Hightech des 16. Jahrhunderts
Mit einem Nachbau einer der beiden Armbruste konnte die Leistungsfähigkeit dieser frühneuzeitlichen Jagdwaffe auf die Probe gestellt werden. Das Zuggewicht der Armbrust beträgt etwa 415 kg, es müssten sich also fünf Erwachsene mit ihrem ganzen Gewicht an die Sehne hängen, um die Waffe zu spannen. Mit Hilfe von technisch sehr effizient konstruierten Zahnstangenwinden war dies einfacher. Bei einem Abschusswinkel von 45° konnten durchschnittliche Schussweiten von etwa 250 Metern erreicht werden, was einer Länge von mehr als zwei Fußballfeldern gleichkommt. Zielgenaue Schussergebnisse waren hingegen nur bis zu einer Distanz von etwa 50 Metern möglich.
Die „Maximiliansarmbruste“ waren demnach sehr leistungsfähig und effektiv, ihre eigentliche Bedeutung liegt aber in ihrer kunstvollen Ausformung: Über ihre Funktion als Jagdwaffen hinaus kommt in ihnen einmal mehr der persönliche Wunsch Kaiser Maximilians I. nach Darstellung zum Ausdruck. Vor allem aber sind sie Zeugnisse einer in allen Schichten der Gesellschaft tief manifestierten Gottesfürchtigkeit am Übergang vom Spätmittelalter in die Frühe Neuzeit.
Felix JaegerFelix Jaeger ist Historiker mit Schwerpunkt Militärgeschichte der Frühen Neuzeit. Er war zuletzt wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator für die Ausstellung „Die Armbrust – Schrecken und Schönheit“. |