„Nie war sie sooo … wertvoll wie heute“
Sabine Witt | 24. März 2021
Seit mehr als einem Jahr prägt die Corona-Pandemie den Alltag der Menschen. Der erste Lockdown in Deutschland begann Mitte März vergangenen Jahres, inzwischen sucht die Politik nach Wegen aus dem zweiten Lockdown. Die Einschnitte der Corona-Pandemie haben ihre Spuren hinterlassen. In unserer Serie geben fünf Sammlungsleiter*innen Einblicke, wie die Corona-Pandemie Einzug in die Sammlung des Deutschen Historischen Museums gehalten hat. Dr. Sabine Witt, Leiterin der Sammlung Alltagskultur, stellt einige Alltagsgegenstände vor, die ebenso Solidarität wie Aktionismus in der Pandemie dokumentieren.
Wie veränderten sich doch Wahrnehmungen und Bedeutungen fundamental, seit in den ersten Wochen des Jahres 2020 die Corona-Pandemie auch Deutschland erreichte, seit März das öffentliche Leben weitgehend lahmlegte, tief in das Wirtschaftsleben, in soziale Gefüge und schlicht in den Alltag der Menschen eingriff. Grundnahrungsmittel und alltägliche Hygieneartikel wurden hoch gehandelt und vielfach, teils nach Hamsterkäufen nach Hause geschleppt. Die Szenen in Supermärkten und Drogerien hat man noch gut vor Augen, und die verstörenden Bilder von leeren Regalen (vgl. Blogbeitrag zu den Corona-Fotografien in der DHM-Sammlung) erinnern daran. In deutlich bescheidenerem Umfang erwarb auch die Sammlung Alltagskultur des DHM die wohl naheliegendsten Alltagsutensilien: Neben einer 8-Rollen-Packung Toilettenpapier zeugt eine einzelne, liebevoll geschmückte, datierte und mit Widmung versehene Rolle auch von der Solidarität und Nachbarschaftshilfe, die allerorten zu beobachten war.
Auch das seither und weiterhin geltende AHA-Mantra (Abstand halten – Hygiene beachten – Alltagsmaske tragen) schlug sich in Objekten wieder, die 2020 in die Sammlungen aufgenommen wurden: Ob universell einsetzbar oder, wie hier das rot-weiße (Flatter-)Absperrband, welches im April 2020 einen Tennisplatz auf dem Tempelhofer Feld in Berlin abriegelte (vgl. Abbildung im Blogbeitrag zu den Corona-Fotografien in der DHM-Sammlung).
Der plötzliche Bedarf an Masken und anderer persönlicher Schutzausrüstung (PSA) wurde aber auch von Wirtschaftsunternehmen erkannt, die ihre Produktpalette erweiterten und ihre Fabrikation kurzfristig umstellten. So produzierte etwa die geobra Brandstätter Gruppe, ein globaler Player auf dem Spielzeugmarkt, ab April 2020 eine Nase-Mund-Maske aus Kunststoff. Als Filter dient ein handelsübliches Taschentuch, das als 10er-Pack jeder Maske beilag. Von dem Verkaufspreis flossen jeweils rund 20% an den Corona-Nothilfefonds des Deutschen Roten Kreuzes.
Nach Protesten von Eltern, die vehement für ihre Sprösslinge eine solche Maske einforderten, wurde der international vertriebene Nase-Mund-Schutz ebenso in den Größen S und M angeboten.
Auch anderes wurde aufmerksam, dem Inhalt oder dem Namen nach, einer Virenprüfung unterzogen: Im sonnigen Frühjahr 2020 gekauft, getrunken und der DHM-Sammlung geschenkt wurden schließlich auch vier Bierdosen der Marke Corona Extra. Nachdem zunächst Nachrichten die Runde machten, die mexikanische Brauerei müsste die Herstellung des (lokalen) Traditions- und (internationalen) Szenegetränks einstellen, lässt es sich auch in 2021 weiterhin genießen – im Freien, hoffentlich bald auch wieder mit Freunden und wie immer in Maßen.