5 Fragen an: Jutta Peschke
24. November 2021
Das Zeughaus des Deutschen Historischen Museums wird saniert und die Dauerausstellung „Deutsche Geschichte vom Mittelalter bis zum Mauerfall“ abgebaut. Gleichzeitig arbeitet das DHM an einer neuen Ständigen Ausstellung – ein Großprojekt, das das gesamte Museum betrifft. In der Interview-Reihe „5 Fragen an…“ kommen Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen zu Wort und berichten von ihren Erinnerungen an die frühere Dauerausstellung und derzeitigen Erlebnissen. Diesmal sprechen wir mit der Textilrestauratorin Jutta Peschke.
Liebe Frau Peschke, die Dauerausstellung ist seit Ende Juni geschlossen. Gab es für Sie ein Objekt oder einen Bereich in der Ausstellung, mit dem Sie eine besondere Erinnerung oder Geschichte verbinden?
Jutta Peschke: Ja, Bereiche, die man persönlich besonders gelungen empfindet, waren natürlich dabei. Zum Beispiel Rauminszenierungen, bei denen wir unterschiedliche Formen der Objektpräsentationen gewählt haben. An die Präsentation historischer Textilien stellen wir besondere Bedingungen. Die Unterkonstruktionen sollten in der Form passgerecht und gleichzeitig unterstützend wirken. Aus konservatorischen Gründen müssen bei der Anfertigung einer Unterkonstruktion zudem schadstofffreie und alterungsbeständige Materialien verwendet und auch die kleidungshistorische Silhouette berücksichtigt werden.
Im Bereich des Biedermeier haben wir bspw. eine ganzfigürliche Darstellung angestrebt. Man spricht hier von sogenannten Vollkörpern, also mit Kopf, Gliedmaßen und Füßen. Der Zeitepoche entsprechend, wurden die modischen Frisuren aus Papierstreifen nachempfunden, ebenso das Schuhwerk aus Papier gefertigt. In der Vitrine waren mehrere Textilien und Möbel zu sehen. Auch ein kleines Mädchen stand vor der Wiege. Insgesamt entstand so etwas wie eine Wohnatmosphäre. Einfach eine sehr hübsche Rauminszenierung.
In anderen Ausstellungsabschnitten haben wir uns für eine wiederum sehr reduzierte Präsentationmöglichkeit, die sogenannten Hohlkörper, entschieden. Hier wurde der Fokus ausschließlich auf das Objekt gelegt und alles körperlich Sichtbare reduziert. Die Hohlkörper wurden dafür der Silhouette des jeweiligen Objektes angepasst. Die Unterkonstruktion erfüllte dabei eine stützende und tragende Funktion und diente ausschließlich der Präsentation des Objektes.
Je nach Material und Empfindsamkeit mussten in der Zwischenzeit Objekte ausgetauscht werden.
Waren Sie 2006 beim Aufbau und der Eröffnung dabei? Ist Ihnen aus dieser Zeit etwas prägend in Erinnerung geblieben?
In Erinnerung ist es mir natürlich geblieben, weil es ein Kraftakt war für uns alle Beteiligten hier. Es gab einen Eröffnungsterminmit Bundeskanzlerin Merkel. Der Termin musste eingehalten werden, teilweise haben wir bis 22 Uhr gearbeitet.
Wir waren alle sehr, sehr stark involviert und dann ist man natürlich froh und erleichtert, wenn alles steht.
Was stellt für Sie die größte Herausforderung beim Abbau der Dauerausstellung dar?
Natürlich ist das jetzt auch ein Kraftakt, aber unter einer anderen Prämisse. Da drückt kein Eröffnungstermin, aber wir haben auch hier eine Terminsetzung. Erst nach dem Ausräumen der Objekte verschwindet auch die Architektur und dann wird ein leeres Zeughaus übergeben.
Lange im Vorfeld haben wir unsere Planungen auf Papier gebracht: was wir für den Abbau, wo wir (zusätzliche) Hilfe benötigen. Der Bedarf an Verpackungsmaterialien und notwendigen Transportbehältnissen in unterschiedlichen Objektformate anmelden, Das ist sozusagen die Vorplanung, bevor wir vor Ort dann unsere mobilen Arbeitsplätze aufbauen. Dabei hat die Leiterin der Restaurierungsabteilung, Martina Homolka, die Planungslogistik und Koordinierung übernommen. So wurden Ablaufpläne für Schwerlasttransporte, Speditionen und Firmen erarbeitet, die mit erforderlichen Gerätschaften zum Beispiel Sonderanfertigungen von Vitrinen und Gläsern zu demontieren.
Wir haben mit unseren großformatigen Textilien, sprich Tapisserien, angefangen. Das ist eine besondere Herausforderung, weil das großformatige Objekte sind, die im Handling schwierig sind. Dazu gehört auch das Türkische Zelt.
Was für mich immer wieder ein beeindruckender Arbeitsprozess ist, ist die Entstehung eines neuen Ausstellungsprojekts und die dazugehörige Teamarbeit. Diese Zusammenarbeit der einzelnen Entwicklungsstadien, Objektauswahl in den unterschiedlichen Sammlungsbereichen, Gespräche mit den Kurator*innen und Ausstellungsgestaltung: Wenn die Ausstellungsarchitektur steht und wir unsere mobilen Arbeitsplätze einrichten, die Räume und Wände mit den Objekten bestückt werden, ist das ein toller Prozess. Es entwickelt sich, es entsteht etwas. Wir haben alle unseren Anteil daran, es ist einfach eine wunderbare Gemeinschaftsarbeit. Dadurch dass wir so oft unsere Wechselausstellungen mit Auf- und Abbauten haben, haben wir da natürlich auch schon viel Erfahrung sammeln können. Die Dauerausstellung in diesem Größenmaß ist natürlich noch eine andere Hausnummer.
Um eine Größenvorstellung von der Ausstellung zu erhalten: Wie viele Textilien befanden sich in der Ausstellung und was waren das für Objekte?
In der Dauerausstellung befanden sich 582 Textilien. Das größte Objekt war das Türkenzelt und die Tapisserien. Das kleinste vermutlich eine aus Perlen gefertigte „Geldkatze“, eine Art Geldbeutel.
Was ganz frisch in die Sammlung kam, war die Pesthaube. Diese hat das Haus kurz vor der Eröffnung der Dauerausstellung erworben. Ich habe mir das Objekt gründlich angeschaut und eine Schadenserfassung vorgenommen. Ebenso eine konservatorische Bearbeitung und die Anfertigung einer passenden Unterkonstruktion für die Präsentation. Dafür war wenig Zeit. Dieses Stück ist mittlerweile auch mehrfach gereist, es war in London im British Museum und in den USA. Dafür wurde eine Objektverpackung entwickelt um einen schadensfreien Transport durchführen zu können. Die Objektentnahme aus der Dauerausstellung konnten konservatorische Sicherungsmaßnahmen am Objekt durchgeführt werden, für die am Anfang keine Zeit war, damit sie auf Reisen optimal geschützt und gesichert ist. Es ist ein sehr interessantes Objekt und auch ein sehr seltenes Objekt.
Für die Vorbereitung des Objektes und Einbringung in die Vitrine musste noch eine stützende Unterkonstruktion anfertigt werden und knappe elf Tage später war dann die Eröffnung der Dauerausstellung. Das war sehr wenig Zeit. Deswegen bin ich eigentlich ganz froh, dass ich aufgrund der Anfrage als Leihgabe das Stück dann noch mal entnehmen und eine konservatorische Bearbeitung durchführen konnte.
Gibt es etwas, was Sie relevant für die neue Ständige Ausstellung finden?
Für die Auswahl der Objekte und Gestaltung der Themenbereiche sind die Historiker*innen zuständig und der Sammlungsbestand des DHM ist wirklich groß. Meine Befürchtung ist, dass zukünftig weniger Objekte gezeigt werden, weil Medienstationen immer mehr Raum in Ausstellungen einnehmen. Das kann eine Bereicherung sein, aber es sollte in einer guten Relation zu Originalen stehen und sie nicht verdrängen. Für die Planung der zukünftigen Dauerausstellung haben wir uns mit dem zuständigen Wissenschaftler ausgetauscht Wir haben hingewiesen, worauf man bei der Präsentation von Textilien achten sollte, warum wir welche Präsentationsform gewählt haben. Auch dass man zukünftig bei dem Bau der Vitrinen beachten sollte, dass Revisionstüren eingearbeitet werden, ein Austausch bzw. ein Wechsel an Objekten also möglich ist. Einige der bisherigen Vitrinen waren leider nur von einer Seite begehbar und ein Objektaustausch aufwendiger. Diese Erfahrungen sollte man in der zukünftigen Architekturplanung berücksichtigen.
Wir haben viele interessante Objekte, ich kann mich nicht festlegen, welches Objekt ich mir in der neuen ständigen Ausstellung wünsche. Natürlich hat man einen besonderen Bezug, wenn man durch eine längere (Bearbeitungs-)Zeit mit einem Objekt beschäftigt ist. Die Pesthaube ist etwas Besonderes, aber auch die Tapisserien sind durch ihre Gestaltungsvielfalt und handwerklicher Ausführung sehr beeindruckend.