5 Fragen an: Carola Jüllig
26. Januar 2022
Das Zeughaus des Deutschen Historischen Museums wird saniert und die Dauerausstellung „Deutsche Geschichte vom Mittelalter bis zum Mauerfall“ abgebaut. Gleichzeitig arbeitet das DHM an einer neuen Ständigen Ausstellung – ein Großprojekt, das das gesamte Museum betrifft. In der Interview-Reihe „5 Fragen an…“ kommen Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen zu Wort und berichten von ihren Erinnerungen an die frühere Dauerausstellung und derzeitigen Erlebnissen. Carola Jüllig, Sammlungsleiterin Bild, warf im Rahmen dieser Reihe ebenfalls einen Blick in die Vergangenheit.
Liebe Carola Jüllig, die Dauerausstellung ist seit Ende Juni 2021 geschlossen. Gab es für Sie ein Objekt oder einen Bereich in der Ausstellung, mit dem Sie eine besondere Erinnerung oder Geschichte verbinden?
Carola Jüllig: Gemeinsam mit meiner ehemaligen Kollegin Regine Falkenberg habe ich den Ausstellungsbereich zur Nachkriegszeit von 1949 bis 1994 im Erdgeschoss der alten Dauerausstellung im Zeughaus kuratiert. Daher ist mir auch ein Objekt aus dieser Abteilung besonders in Erinnerung geblieben: Eine Plattenbauwand, die wir von einer Wohnungsbaugenossenschaft in Berlin-Marzahn als Schenkung erhielten. Sie kam als allererstes Objekt in das noch leere Zeughaus. Für den Transport und die Einbringung dieses tonnenschweren Objekts wurde eine Schwerlastfirma beauftragt und auch ein TV-Sender war bei diesem besonderen Moment dabei. Das war ein guter Einstand für das Projekt.
Zu diesem Zeitpunkt bekam man nach der Planung auf dem Papier langsam ein Gefühl dafür, wie die Ausstellung im Raum aussehen würde.
Sie waren 2006 bei der Konzeption und der Eröffnung der Dauerausstellung dabei. Ist Ihnen aus dieser Zeit etwas prägend in Erinnerung geblieben?
Ich erinnere mich vor allem daran, dass wir Sammlungsleiter*innen während des Aufbaus der Ausstellung häufig gemeinsam mit den Restaurator*innen vor den Vitrinen standen und diskutiert, ausprobiert, verworfen und schließlich entschieden haben, wie die Objekte jeweils in den Vitrinen platziert werden sollen. Eine der maßgeschneiderten Vitrinen fiel jedoch zu klein aus – da war wohl irgendwo ein Komma verrutscht.
Es war definitiv sehr anstrengend, insbesondere zum Ende des Aufbaus. Innerhalb von drei Tagen mussten wir aufgrund von Verzögerungen beispielsweise noch Beschriftungen anbringen. Somit kniete ich zusammen mit meiner Kollegin auf dem kalten Steinfußboden des Zeughauses und klebte die Beschriftungen an, während draußen Temperaturen um die 30 Grad herrschten. Das zerrte sehr an Körper und Nerven.
Was stellt für Sie die größte Herausforderung beim Abbau der Dauerausstellung dar und wie waren Sie in den Abbau involviert?
Beim Abbau selbst war ich nicht gefordert. Aber natürlich stand ich für Rückfragen von Restaurator*innen, die im Zuge des Abbaus des damals von mir eingerichteten Ausstellungsbereiches aufkamen, zur Verfügung.
Aufgrund der Corona-Pandemie waren alle Beteiligten dieses Großprojekts vor zusätzliche Herausforderungen gestellt. Da ich freiwillig die Corona-Testung des Abbau-Teams im Zeughaus beaufsichtigte, war ich dennoch regelmäßig in der geschlossenen Dauerausstellung. Es war verblüffend, wie schnell der Abbau voranging. Da ich dort zahlreiche Führungen gegeben und viel Zeit verbracht habe, war das ein merkwürdiges Gefühl – die Dauerausstellung entblätterte sich wie ein Baum im Herbst. Ich erlebte auch den Abbau einzelner Objekte mit, die ich beim Aufbau nicht wahrgenommen hatte. Eines Tages stand die Bismarck-Skulptur beispielsweise ohne Unterleib im Foyer. Das war sehr interessant.
Um eine Größenvorstellung von der Ausstellung zu erhalten: Wie viele Objekte Ihrer Sammlung befanden sich in etwa in der Ausstellung?
In dem von mir damals kuratierten Ausstellungsbereich befanden sich rund 850 Objekte.
Seit 2015/16 betreue ich als Sammlungsleiterin das Bildarchiv. Postkarten, Fotos oder Fotoalben aus diesem Bereich waren bis zuletzt nur einige wenige im Zeughaus ausgestellt. Zudem handelte es sich bei einem Großteil davon um Reproduktionen und nicht um Originale.
Im Laufe der Jahre wurden die Objekte aus meinem Sammlungsbereich aus restauratorischen Gründen teilweise ausgetauscht. Zudem veränderten sich einzelne Teile der Ausstellung, da Neuerwerbungen integriert oder bestimmte Themen inhaltlich überarbeitet wurden. Wir nennen sie zwar „Dauerausstellung“, doch von einem statischen Produkt kann nicht die Rede sein.
Gibt es etwas, was Sie relevant für die neue Ständige Ausstellung finden?
Da ich in den letzten Jahren schwerpunktmäßig Fotografie gesammelt habe, würde ich mir wünschen, wenn dieses Medium in der zukünftigen Ständigen Ausstellung präsenter ist.
Quantitativ handelt es sich beim Bildarchiv mit allen Negativen, Abzügen, Vor- und Nachlässen wohl um den größten Sammlungsbestand des Museums, der zu jedem Thema etwas anbietet. Das trifft auch auf die Postkarten zu, die bisher kaum in der Dauerausstellung vertreten waren.
Zusätzlich zur Verwendung der Fotografie als Illustration der historischen Ereignisse könnte die Medialität thematisiert werden. Man könnte bspw. nachzeichnen, wie und wann das Medium populär wurde. Schließlich sind Fotos ebenso historische Quellen wie Dokumente und Akten und müssen ebenfalls kritisch hinterfragt werden.