5 Fragen an: Oliver Schweinoch
15. März 2022
Das Zeughaus des Deutschen Historischen Museums wird saniert und die Dauerausstellung „Deutsche Geschichte vom Mittelalter bis zum Mauerfall“ abgebaut. Gleichzeitig arbeitet das DHM an einer neuen Ständigen Ausstellung – ein Großprojekt, das das gesamte Museum betrifft. In der Interview-Reihe „5 Fragen an…“ kommen Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen zu Wort und berichten von ihren Erinnerungen an die frühere Dauerausstellung und derzeitigen Erlebnissen. Oliver Schweinoch ist zuständig für LeMO (Lebendiges Museum Online), das Online-Portal zur deutschen Geschichte, und erläutert welchen Einfluss die Dauerausstellung auf seine Arbeit hatte und welche Objekte in Erinnerung geblieben sind.
Herr Schweinoch, welcher LeMO-Beitrag wurde bisher am häufigsten angeklickt?
Oliver Schweinoch: Das kann man tatsächlich nicht so genau sagen. LeMO besteht seit etlichen Jahren und in der Zeit wurden einige Male die technischen Tools gewechselt. Zudem betreuen wir hier im Deutschen Historischen Museum den Zeitraum von 1815 bis 1945. Die darauffolgenden Jahrzehnte werden von den Kolleg*innen des Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn verantwortet.
Nichtdestotrotz können wir auf die vergangenen Jahre zurückblicken und auch für einzelne Tage auswerten, welche Beiträge am meisten geklickt wurden.
Am 23. Februar 2022 war dies bspw. die Jahreschronik von 1939 sowie Kapiteltexte über das NS-Regime, den Zweiten Weltkrieg und die Weimarer Republik. Hierbei handelt es sich im Hinblick auf die Klicks um die klassischen Favoriten der Nutzer*innen, wenn man so will. Bei den Biografien ist Bertolt Brecht ein Dauerbrenner.
Es wird deutlich, dass Tagespolitik und mediale Ereignisse einen Einfluss auf unsere Klickzahlen haben. Wenn eine Verfilmung von Erich Kästner mediale Aufmerksamkeit erfährt, dann merkt man das sogleich an den Aufrufen seiner Biografie.
Verbinden Sie mit einem Objekt der alten Dauerausstellung, das vielleicht auch auf LeMO zu finden ist, eine besondere Geschichte?
Ich ging vermutlich nie an der Armprothese vom Anfang des 16. Jahrhunderts, der sogenannten „Grüninger Hand“, in der alten Dauerausstellung im Zeughaus vorbei, ohne nach ein paar Schritten anzuhalten und umzudrehen, um mir das Objekt zumindest kurz etwas genauer anzuschauen. Die Details, die Gestaltung der Fingernägel und der Fingerglieder – sehr beeindruckend. Zahlreiche Assoziationen schossen mir in den Kopf:
Da war also dieser Mann, der einen entsetzlichen Verlust, ein schreckliches Trauma erfahren und überlebt hat, der eine Armprothese erhielt und vielleicht einen wie auch immer gearteten Alltag weiterlebte. Ich stellte mir ganz profane Fragen: Konnte diese Hand einen Löffel halten? Was hat er gegessen? So ist man sofort beim Thema Esskultur, aber auch beim Thema Medizin und den Gefühlen dieser Person. Man kommt über dieses Objekt also sehr gut mit anderen und mit sich selbst ins Gespräch.
Die Prothese ist darüber hinaus ein sehr seltenes Objekt. Da LeMO Anfang des 19. Jahrhunderts startet, findet sich hier jedoch kein Beitrag zu diesem Objekt.
In der alten Dauerausstellung waren zuletzt ca. 5.500 Objekte ausgestellt. Wie viele Objekte kann man auf LeMO zu entdecken?
Insgesamt sind 5.085 Objekte bei LeMO zu finden, wobei sich diese aus der Sammlung des DHM, der Sammlung des Haus der Geschichte und aus Beständen des dritten Projektpartners dem Bundesarchiv speisen. Da wir mit dem Deutschen Historischen Museum über 100 Jahre und somit den längsten Zeitraum auf dem Portal abdecken, stammt auch die Mehrheit der Objekte aus unserer Sammlung.
Das ist jedoch keine fixe Zahl, da wir immer wieder bestimmte Objekte aussortieren. Diese werden inhaltlich überprüft oder auch aus technischen Gründen ausgetauscht und gelöscht.
Gab es LeMO schon bei der Eröffnung der alten Dauerausstellung 2006?
LeMO gab es schon vor der Eröffnung der alten Dauerausstellung. Das Projekt startete 1998/99. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits an der Dauerausstellung gearbeitet und man kam früh auf die Idee, dass man Teile der Sammlung und Informationen auch im Internet präsentieren möchte. Zunächst war ein virtueller Museumsrundgang durch eine eigens für das Projekt konstruierte virtuelle Architektur angedacht, durch die sich die Nutzer*innen aus Ego-Perspektive bewegen können sollten. Technisch war das zu dieser Zeit aber noch nicht realisierbar. So entstand schließlich die Mischung aus Enzyklopädie und Sammlungspräsentation.
Viele derjenigen, die damals an der Dauerausstellung mitgewirkt haben, konnten in diesem Zuge auch dafür gewonnen werden, Texte zu ihren Spezialthemen zu verfassen.
Gibt es etwas, was Sie für LeMO auch im Rahmen der neuen Ständigen Ausstellung wieder aufgreifen oder weiterverfolgen möchten?
Wir waren diesbezüglich schon im Gespräch, doch aktuell ist es noch zu früh, um mehr dazu sagen zu können.
Aktuell befinden wir uns im Austausch mit dem Team der Ausstellung „Roads not Taken“, die im Dezember 2022 eröffnet. Hier versuchen wir erstmals, LeMO und eine Ausstellung näher miteinander zu denken und zu verbinden. Es wird interessant zu sehen, was gut funktioniert und was schwierig ist. Daraus lassen sich dann mit Sicherheit auch Erkenntnisse für die eventuelle Integration von LeMO in der neuen Ständigen Ausstellung ableiten.