Wozu das denn? Richard Wagners rosa Schlafrock
Stefan Alschner | 11. Mai 2022
Richard Wagner hatte eine Vorliebe für feine Stoffe, bevorzugt in der Farbe Rosa. So gab er auch einen rosa Schlafrock bei der Putzmacherin Bertha Goldwag in Auftrag. Stefan Alschner, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klassik Stiftung Weimar im Forschungsverbund Marbach-Weimar-Wolfenbüttel, über das berühmte Kleidungsstück Wagners und die damit verbundene Relevanz eines Briefes. Das Dokument gehört zur Sammlung des Reuter-Wagner-Museums Eisenach und ist Teil der Ausstellung „Richard Wagner und das deutsche Gefühl“.
Die Angewohnheit, unerhört viel Geld in auserlesene Stoffe mit teilweise extravaganten Farben zu investieren, brachte Richard Wagner schon zu Lebzeiten Kritik und Spott ein. Zeugnisse dieser Vorliebe sind in seinen Briefen an die Putzmacherin Bertha Goldwag dokumentiert. Goldwag wurde von Wagner mit der Herstellung von Decken, Kissen und Gardinen für seine Wohnungen in Wien, München und der Schweiz beauftragt sowie mit der Anfertigung von Bekleidung. Die Briefe zeugen von Wagners Hang, die Putzmacherin bei ausstehenden Zahlungen immer wieder zu vertrösten und gleichzeitig neue Bestellungen in Auftrag zu geben. Welchen Umfang eine solche Bestellung annehmen konnte, wird in einem Brief vom 15. November 1865 deutlich, in welchem Wagner mehrere Schlafröcke, Beinkleider, Kissen, Decken und weitere Waren orderte.
Zu einiger Berühmtheit gelangte dabei der erwähnte „rosa Schlafrock”. Der Wiener Satiriker Daniel Spitzer persiflierte in seinem Text Briefe Richard Wagners an eine Putzmacherin noch zu Lebzeiten des Komponisten dessen Vorlieben für feine Stoffe, viele davon bevorzugt in der Farbe Rosa. Der „rosa Schlafrock” zieht sich dabei wie ein Leitmotiv durch den Text Spitzers, welcher aus den Briefen Wagners zitierte und damit unter den Wagnerianern Empörung auslöste. Als Reaktion folgte jedoch keine kritische Auseinandersetzung mit dem Finanzgebaren des Komponisten und seiner Vorliebe für Luxus. Stattdessen wurde Spitzers jüdische Herkunft herangezogen und damit ein weiterer Beweis konstruiert, wie das Judentum Wagner in Misskredit zu bringen versuche. Ein Diskussionsmuster, welches auch heute nur allzu bekannt ist. Statt sich argumentativ mit etwas auseinanderzusetzen, wird versucht, Zweifel an der Integrität der anderen Seite zu wecken.
Im Bestand des Reuter-Wagner-Museums Eisenach befinden sich mehrere Briefe Richard Wagners sowie seiner Haushälterin Verena Weidmann an Bertha Goldwag. Die Dokumente stammen aus der Sammlung des Wiener Wagnerianers Nikolaus Oesterlein. Dessen zwischen 1876 und 1895 zusammengetragene Sammlung von über 25.000 Objekten bildet den Grundstock der sich heute in Eisenach befindenden Bestände.
Obwohl Oesterlein die Adressatin der Briefe sicher bekannt war, findet sich in den Einträgen seines vierbändigen Katalogwerks zu seiner Sammlung nur eine mit „…“ angegebene Leerstelle. Statt der äußerst detaillierten und teils sogar mit ausführlichen Fußnoten versehenen Katalogeinträge scheint hier bewusst der Name der Adressatin, Bertha Goldwag, verschwiegen zu werden. Vielleicht wollte Oesterlein nicht unnötig die Aufmerksamkeit des Bayreuther Kreises um Cosima Wagner auf sich ziehen, der sicher alle Hebel in Bewegung gesetzt hätte, um in den Besitz dieser – das Ansehen Wagners schädigenden – Briefe zu gelangen, um sie auf ewig verschwinden zu lassen. Es kann also dem Wiener Sammler angerechnet werden, diese Dokumente trotz ihres für Wagner nicht immer schmeichelhaften Inhalts für die Nachwelt bewahrt zu haben.
Stefan AlschnerStefan Alschner arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar in Projekten zur Erschließung und Digitalisierung der Richard-Wagner-Sammlung des Reuter-Wagner-Museums Eisenach. Aktuell ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klassik Stiftung Weimar im Forschungsverbund Marbach-Weimar-Wolfenbüttel beschäftigt. |