Restaurierung einer Ehrensäulenreplik

Dr. Sabine Beneke, Kay Draber und David Pfeffer | 12. Oktober 2022

Für die Ausstellung „Staatsbürgerschaften. Frankreich, Polen, Deutschland seit 1789“ wurde die Replik einer Ehrensäule aufwändig restauriert. Welche Arbeitsschritte dafür notwendig waren, was beachtet werden musste und aus welchem Grund dieses Exponat relevant für die Ausstellung ist, erklären Metallrestaurator Kay Draber, Sammlungsleiterin Dr. Sabine Beneke und David Pfeffer, Projektassistent der Ausstellung.

Bereits visuell hebt sich die bronzene Ehrensäule des „Verbands der Kriegsfreiwilligen von 1870/71“ aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums von einem Großteil der übrigen Objekte in der Ausstellung ab. Neben der sogenannten „Flachware“ (also zweidimensionalen Objekten aus Papier) fungiert dieses Exponat als irritierender Blickfang im zentralen ersten Raum.

Der restauratorische Prozess

Kay Draber

Da die Ausstellungsgestaltung schon in frühen Planungen vorsah das Objekt von allen Seiten zu zeigen, jedoch ein Element der Ehrensäule fehlte, musste es zunächst restauratorisch bearbeitet werden. Im oberen Fries waren ursprünglich abwechselnd zehn Adler- und zehn Muskelpanzerapplikationen montiert. Oberhalb der auf der Hauptansichtsseite angebrachten Schrifttafel fehlte eine dieser Adlerappliken. Wieso oder seit wann diese nicht mehr vorhanden ist, kann nicht mehr nachvollzogen werden.

Fehlstelle an der Ehrensäulenreplik © DHM

Da sich die fehlende Adlerapplik an einer zentralen Position befand sollte sie für die Ausstellung nachgegossen und ergänzt werden. Adäquat zum originalen Material und der ursprünglichen Herstellungstechnik entschieden sich die Restaurator*innen des Deutschen Historischen Museums für einen Nachguss aus Bronze. Hierfür wurde eine der neun erhaltenen Adlerappliken demontiert und einer auf Bronze- und Kunstguss spezialisierten Bildgiesserei (Thomas Seiler GmbH aus Schöneiche) übergeben. Dort wurde der Adler in Silikon abgeformt, in Bronze nachgegossen und ziseliert.

Die Gussform der Adlerapplik, der unbehandelte Nachguss aus Bronze (rechts) sowie eine originale Applike (links) auf dem Arbeitstisch in der Werkstatt der Metallrestaurierung. © DHM

Im Anschluss wurden in der Restaurierungswerkstatt des Deutschen Historischen Museums an diesem Nachguss die notwendige Gewindebohrung für die Schraubbefestigung am Objekt und chemische Patinierung für die farbliche Angleichung an die originale Bronze ausgeführt. Auf die Rückseite der nachgegossenen Applike wurde „DHM“ und „2022“ eingeschlagen, damit der Nachguss der Applike auch in ferner Zukunft als restauratorischer Eingriff erkenntlich ist.

Die Geschichte der Replik

Dr. Sabine Beneke

Bei der Ehrensäule des „Verbands der Kriegsfreiwilligen von 1870/71“ handelt es sich um eine verkleinerte Wiederholung eines 12,60 m hohen Monuments von 1870, das um einen Sockel erweitert wurde. Das Monument bildete den Schlusspunkt einer festlich geschmückten „Via Triumphalis“ (Siegesstraße) durch Berlin: Nach dem Deutsch-Französischen Krieg zogen die siegreichen preußischen Truppen am 16. Juni 1871 mit Kaiser Wilhelm I. vom Kreuzbergdenkmal über die Straße „Unter den Linden“ zum Schloss. Hier stand eine große, nur für das Ereignis, und deshalb aus Gips geschaffene Ehrensäule. Auf ihr thronte eine Verkörperung der Germania im Krönungsmantel, zu ihren Seiten die zurückeroberten „Töchter“ Elsaß und Lothringen. Die Säule umgab ein Relief des Bildhauers Rudolf Siemering (1835-1905) mit dem Thema „Deutschlands Wehrkraft“: 35 Figuren folgten dem Trompetenruf eines Herolds. Sie stellten die Erhebung des deutschen Volkes in Waffen dar. Menschen aller deutschen Länder und aus allen Volksschichten bevölkerten das Relief, Abschiedsszenen mit Einberufenen zeigten auch zurückbleibende Veteranen der Freiheitskriege von 1813 bis 1815. Noch Wochen nach dem Einzug suchten zahlreiche Menschen das Denkmal auf. Pläne für eine spendenfinanzierte Umsetzung in witterungsbeständiges Material zerschlugen sich jedoch.

Die Kriegsfreiwilligen fügten ihrer rund dreißig Jahre später entstandenen Ehrensäule einen Unterbau hinzu, „um das Ganze trotz der Kleinheit des Maßstabes nicht gedrückt erscheinen zu lassen. Damit war zugleich die Möglichkeit geschaffen, unserm Bedürfnis der Verehrung jener drei Gestalten Rechnung zu tragen, in deren Persönlichkeiten sich die große Zeit mit ihren weltbewegenden Errungenschaften widerspiegelt: Kaiser Wilhelm der Große, Bismarck und Moltke“, berichtete die Festschrift des Verbands von 1920. Medaillons mit Bildnissen der drei wurden angebracht. Kaiser Wilhelm II. stiftete für die Herstellung ein im Deutsch-Französischen Krieg erobertes Geschütz.

Detail der Säule mit der Plakette, die Helmuth von Moltke zeigt. © DHM

Die Säule diente als Tischschmuck bei den jährlichen Verbandstreffen am Geburtstag Wilhelms I., dem 22. März. Nach dem Tod des letzten Kriegsfreiwilligen kam sie 1922 ins Zeughaus, heute Sitz des Deutschen Historischen Museums, um dort ihren Platz an der Seite der Ehrensäule der freiwilligen Jäger von 1813 bis 1815 (Inv. Nr. AB 2975) zu finden. Die Säulen sollten – so die Festschrift – „zukünftigen Geschlechtern erzählen, wie Deutschlands Jugend allezeit bereit war, für des Vaterlandes Wohl und Schutz freiwillig in den Kampf zu ziehen.“

Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs gingen Germania mit „Elsaß“ und „Lothringen“ jedoch verloren.

Die Bedeutung für die Ausstellung

David Pfeffer

„Staatsbürgerschaften. Frankreich, Polen. Deutschland seit 1789“ behandelt als zentrales Element die wechselvolle und konfliktreiche Geschichte verschiedener Grenzregionen der einzelnen Länder. Nach der vernichtenden militärischen Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 musste Frankreich seine an das Deutsche Reich angrenzenden Gebiete Elsass und Lothringen abtreten. Diese einschneidende Zäsur veranschaulicht die Ehrensäule in ihrer ursprünglichen Form. Als Replik des Siegesdenkmals von 1871 thronte Germania als Allegorie des deutschen Nationalstaates auf der Säule. Mütterlich breitet sie die Arme über Alsatia und Lotharingia, den Personifikationen des neu annektierten Reichslandes Elsass-Lothringen, aus. So wird der Herrschaftsanspruch des Deutschen Reiches auf die deutsch-französischen Grenzregionen untermauert. Für die bis zu diesem Zeitpunkt als französische Staatsbürger lebenden Menschen im Elsass und in Lothringen hatte die Angliederung weitreichende Konsequenzen. Sie waren nun vor eine tiefgreifende Entscheidung gestellt. Sollten sie ihre Staatszugehörigkeit wechseln und damit zu deutschen Untertanen werden? Oder blieben sie der französischen Nation treu, was bedeutete, dass sie ihre Heimat verlassen mussten?

Blick in die Ausstellung „Staatsbürgerschaften. Frankreich, Polen, Deutschland seit 1789“ mit der Ehrensäulenreplik im Vordergrund und das „Befreiungskleid“ sowie das Gemälde „Ein patriotischer Zwischenfall in Straßburg“ im Hintergrund © DHM

Die Verbundenheit zur Heimat und ihren möglichen Verlust bildet die Ehrensäule nicht ab. Sie ist ausschließlich Mittel der Herrschaftsrepräsentation und soll die Wehrhaftigkeit der neu entstandenen deutschen Nation veranschaulichen. Das Exponat bildet daher einen Kontrast zum Gemälde „Ein patriotischer Zwischenfall in Straßburg“ von 1873 und dem „Befreiungskleid“ von 1918, die sich in der Ausstellung in unmittelbarer Nähe zur Ehrensäule befinden. Diese Objekte zeigen den kreativen Umgang der Bevölkerung mit den neuen Herrschaftsverhältnissen. Durch das Tragen der französischen Nationalfarben Blau, Weiß und Rot konnte den patriotischen Gefühlen Ausdruck verliehen werden.

Noch bis zum 15. Januar 2023 kann die restaurierte Ehrensäule in der Ausstellung im Erdgeschoss des Pei-Baus genau betrachtet werden.


 

 

Dr. Sabine Beneke

Dr. Sabine Beneke ist Sammlungsleiterin für Kunst: Gemälde und Skulpturen am Deutschen Historischen Museum.

David Pfeffer

David Pfeffer ist als Projektassistent für die Ausstellung „Staatsbürgerschaften. Frankreich, Polen, Deutschland seit 1789“ am Deutschen Historischen Museum tätig.

 

 

Kay Draber

Kay Draber war als Metallrestaurator am Deutschen Historischen Museum beschäftigt und ist seit Oktober 2022 Chefrestaurator am Grassi Museum für Angewandte Kunst in Leipzig.