Wozu das denn? Eine 4-Pfennig-Münze
Nico Geisen | 03. Februar 2023
In Material und Größe wirkt der sogenannte Brüning-Taler, eher unscheinbar. Jedoch steckte hinter dieser Münze, die in der Ausstellung „Roads not Taken. Oder: Es hätte auch anders kommen können“ zu sehen ist, eine große Hoffnung: Sie sollte der deutschen Wirtschaftskrise am Ende der Weimarer Republik entgegenwirken. Dafür sollte ihr besonderer Nominalwert von vier Pfennig sorgen. Welche politische Idee hinter dem Geldstück stand, erklärt Nico Geisen, wissenschaftlicher Volontär der Abteilung Sammlungen.
„Hilfskreuzer“, „Proleten-Dollar“, „Pleite-Groschen“: Als die Berliner Zeitung „Der Tag“ im Januar 1932 eine Preisauslosung für den witzigsten Namen des neu eingeführten Pfennigstückes ausschrieb, war die Kreativität der Leser*innen hoch.[1] Auffällig unter den vielen Namen ist, dass sie nie einen Bezug zur Optik der Münze herstellen. Mit dem schlichten Schriftzug und der gängigen Symbolik, dem Reichsadler, verwundert das jedoch nicht. Die 24 mm breite Münze aus Kupfer unterscheidet sich kaum von den anderen Pfennigstücken der Reichs- oder Rentenmark.[2] Die vorgeschlagenen Spitznamen der Berliner Bevölkerung nehmen also vielmehr Bezug auf die damalige hinter der Münze stehende Politik. Diese Politik stand vor allem im Zeichen der Deflation.
Vorangetrieben wurde die Deflationspolitik von Reichskanzler Heinrich Brüning von der Zentrumspartei. Zu Beginn seiner Amtszeit 1930 waren die „goldenen Jahre“ der Weimarer Republik zu Ende. Es drohte eine wirtschaftliche Depression. Der New Yorker Börsencrash im Oktober 1929 löste eine weltweite Krise aus, das hochverschuldete Deutsche Reich konnte keine Kredite mehr aufnehmen und die deutsche Konjunktur verzeichnete alarmierend hohe Schwankungen, was zu einem starken Verfall der Geldwertstabilität führte. Preise und Löhne entfernten sich mehr und mehr voneinander, sodass die Kaufkraft der Deutschen von durchschnittlich 1.185 RM im Jahre 1928 auf 716 RM im Jahre 1932 sank. Im selben Zeitraum stieg die Arbeitslosenquote in der Gesamtbevölkerung von 7 % auf 30,8 %.[3]
Erklärtes Ziel von Brünings Regierung war deshalb eine Lohn- und Preissenkung, die durch weitgreifende Sparmaßnahmen erreicht werden sollte. Die Löhne in der allgemeinen Wirtschaft sollten gesenkt werden, damit die Unternehmen wieder mehr Arbeitskräfte einstellen konnten. Die Marktpreise würden sich den Löhnen dann anpassen und für eine allgemeine Deflation sorgen, so die Hoffnung der Regierenden. Brüning zielte auf eine 20-prozentige Abwertung der Reichsmark, um somit einen Exportüberschuss zu erwirtschaften mit dem mehr ausländische Devisen beschafft werden sollten.[4] Es galt also die Bevölkerung zu einem Sparverhalten zu bringen.
Die Reichsbank tat sich jedoch schwer, das Pfennigstück an die Bevölkerung zu bringen. Öffentliche Einrichtungen und Banken riefen die Pfennige nicht ab. Die 50 Millionen in Umlauf geratenen Münzen wurden vielfach bei der Reichsbank wieder eingetauscht. Viele Menschen befürchteten einen Vermögensverlust und verweigerten sich der Annahme der Münze. In letzter Verzweiflung ordnete Brünings Regierung sogar an, dass bei jeder Gehaltszahlung von staatlichen Angestellten jeweils 2 Reichsmark in 4 Pfennigstücken ausgezahlt werden soll. Auch das führte jedoch nicht zum gewünschten Effekt. In Häme zu Brünings Politik erhielt die Münze im Volksmund mit Bezug auf dessen Vornamen die Spottbezeichnung „armer Heinrich”.
Nach ihrer Einführung am 1. Februar 1932 blieb die 4-Pfennig-Münze nicht einmal zwei Jahre im Umlauf. Sie wurde in einer von vielen Notverordnungen in die Wege geleitet, zusammen mit einem ganzen Paket weiterer Sparmaßnahmen. Noch im März plante Brüning eine weitere Notverordnung, die unter anderem Kürzungen von Sozialleistungen sowie ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für 600.000 Menschen vorsah. Vor dem Reichstag beschwor er, dass er zur Rettung aus der finanziellen Notlage Deutschlands „hundert Meter vor dem Ziel“[5] stünde. Doch bevor er dieses Ziel erreichen konnte, lehnte der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg die Unterzeichnung weiterer Notverordnungen ab.
Brüning hatte sein Vertrauen verspielt. Seine Unterstützung in der Politik und bei den Bürger*innen schwand kontinuierlich. Ohne das Mittel der Notverordnungen und im Angesicht seiner politischen Gegner sah er sich nicht mehr fähig zu regieren und trat am 30. Mai 1932 als Reichskanzler zurück. Die Nationalsozialisten nahmen die 4-Pfennig-Münze nach ihrer Machtübernahme in einer Notverordnung vom 18. März 1933 schon wieder aus dem Umlauf.
[1] Wilhelm Vernekohl, Rudolf Morsey (Hg.), Heinrich Brüning, Reden und Aufsätze eines deutschen Staatsmanns, Münster 1968, S. 164.
[2] Vgl. Jaeger, Kurt, Die deutschen Münzen seit 1871 mit Prägezahlen und Bewertungen, bearb. v. Udo Helmig u. Helmut Kahnt, Basel 1997, S. 311.
[3] Vgl. Golla, Guido, Zielvorstellungen und Auswirkungen der Brüningschen Sparmaßnahmen, Köln 1994, S. 6-13.
[4] Vgl. Brüning, Heinrich, Memoiren. 1918-1934, Stuttgart 1970, S. 474-477.
[5] Wilhelm Vernekohl, Rudolf Morsey (Hg.), Heinrich Brüning, Reden und Aufsätze eines deutschen Staatsmanns, Münster 1968, S. 164.
Weitere Information zur Einführung der Rentenmark findet ihr auf LeMO: Scriba, Arnulf, Die Währungsreform 1923, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/waehrungsreform-1923.html, zuletzt eingesehen: 17.10.2022
Foto: DHM/Thomas Bruns |
Nico GeisenNico Geisen ist wissenschaftlicher Volontär der Abteilung Sammlung. |