Neues vom Kaiser
Frank Berger | 15. März 2023
Die aus der Märzrevolution 1848 hervorgegangene erste deutsche Nationalversammlung wollte dem König von Preußen die Kaiserkrone antragen – doch es kam anders. Frank Berger, Kurator für Numismatik am Historischen Museum Frankfurt, stellt Gedenkmünzen vor, die die Kaiserkrönung von Friedrich Wilhelm IV. vorwegnahmen. Zu sehen sind sie derzeit in der Ausstellung „Roads not Taken. Oder: Es hätte auch anders kommen können”.
Frankfurt war seit 1356 ganz offiziell der Ort, an dem der deutsche Kaiser gewählt wurde. Und da später regelmäßig die Kaiserkrönungen in der Stadt am Main erfolgten, galt Frankfurt als eine Art Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Eine Wahl und Krönung erfolgte zuletzt 1792 mit Kaiser Franz II. Dieser legte, von Napoleon dazu gezwungen, 1806 die Kaiserkrone nieder. Das Reich hatte keinen Kaiser mehr und hörte auf zu bestehen. Die Kaiserkrone und Reichsinsignien wurden das, was sie heute sind, Museumsstücke.
1848 beschloss die in Frankfurt gewählte erste Nationalversammlung, dass Deutschland wieder einen Kaiser haben sollte. Das Parlament verkündete am 28. März 1849 eine demokratisch verabschiedete gesamtdeutsche Verfasssung. Das Reichsoberhaupt sollte den Titel „Kaiser” tragen und diese Würde immer an seinen erstgeborenene Sohn weitervererben dürfen. Am selben Tag wählte die Nationalversammlung den König von Preußen zum Kaiser. Eine Delegation von 32 Abgeordneten unter Führung des Juristen Eduard Simson reiste nach Berlin, um dem dortigen König Friedrich Wilhelm IV. diese hohe Würde anzutragen.
Da es endlich in Frankfurt wieder einen Kaiser geben sollte, war die Freude groß. Die Stadt prägte umgehend eine Gedenkmünze auf die Kaiserwahl. Unabhängig davon kam die Souvenirindustrie auf Touren. In jener revolutionären Zeit schaute ganz Deutschland nach Frankfurt und die Stadt war geradezu ein Hotspot des Eventtourismus. Parlament und Parlamentarier waren Gegenstand von Neugier und Bewunderung. Findige Geschäftsleute produzierten umgehend Andenken zur Kaiserwahl.
Eines dieser Andenken ist eine Medaille (Abb. 1) auf deren Vorderseite in sieben Zeilen das freudige Ereignis der Kaiserwahl verkündet wird. Die Rückseite zeigt das Symbol des Deutschen Bundes, den doppelköpfigen Adler (ohne Kronen), der auf der Brust den Zollernschild trägt. Damit wurde dem künftigen Kaiser schon sein Wappen vorgeschlagen.
Abb. 2: Gußmedaille, Frankfurt 1849. HMF Inv. MJF1201
Eine weitere Medaille (Abb. 2) zeigt einen Kaiser in vollem Ornat. Wir sehen ihn im Hüftbild, bekleidet in prächtigem Gewand und Mantel. Er trägt mit Reichsapfel, Zepter und Krone die drei Insignien seiner Würde. Die Umschrift beschreibt ihn in bestem Latein als FRIDERICVS WILHELMVS GERMANIAE IMPERATOR. So stellte man sich in Frankfurt den neuen Kaiser vor. Die Rückseite wird von einem Schild beherrscht, dessen Text Ort und Datum der Kaiserwahl nennt. Die Umschrift FELICITAS PVBLICA ist antiken römischen Münzen entnommen und soll aussagen, dass mit der Kaiserwahl ein Zustand von allgemeinem Glück und Wohlergehen beginnt.
Eine dritte Medaille (Abb. 3) knüpft ebenfalls an römische Tradition an. Es soll offenbar ein gebildetes Publikum angesprochen werden. Zu sehen ist ein männlicher Kopf mit Lorbeerkranz nach links, ganz wie es bei Kaiserporträts auf römischen Münzen üblich ist. Der dargestellte Kopf dieser Medaille hat allerdings nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem des echten Friedrich Wilhelm IV. Daher erklärt die Umschrift, um wen es sich hier handeln soll, namlich um FRIDRICH WILHELM I: KAISER. Die Kehrseite der Medaille feiert die angeblich 1849 gegründete deutsche Einheit.
Dazu sollte es nicht kommen. Wenige Wochen nach der Wahl lehnte der Preußenkönig am 28. April 1849 die deutsche Kaiserkrone ab. Das Paulskirchenparlament hätte kein Recht, eine Kaiserkrone anzubieten. Dieses Recht hätten bestenfalls Kaiser Franz Joseph von Österreich, Friedrich Wilhelm selbst und seine Kollegen unter den Reichsfürsten. Der kurze Traum von einem Kaiser in Frankfurt war zu Ende. Die Souvenirs konnten eingeschmolzen werden.
Die Ablehnung der Kaiserkrone trug dem Preußenkönig nicht nur Sympathien ein. Er wurde zur Zielscheibe aktueller Satire. Friedrich Wilhelm und die Germania bevölkern eine Szene aus der Zauberflöte (Abb. 4). In bittender Haltung kniet Pamina, hier Deutschland darstellend, vor ihrem Entführer, dem Oberpriester Sarastro. Der König ist durch Pickelhaube mit Adlerwappen und zwei Champagnerflaschen am Gürtel gut erkennbar. Ihm wird der Spruch „Zur Liebe kann ich dich nicht zwingen, doch schenk ich dir die Freiheit nicht” in den Mund gelegt. Seitlich schaut das Publikum zu, in Person von Abgeordneten der Nationalversammlung. In der Tat hatte Friedrich WilhelmIV. nie Begeisterung, geschweige denn Liebe, bei den Abgeordenten in Frankfurt und Menschen in Deutschland ausgelöst. Die Mehrheit der Frankfurter wollte ihn ohnehin nicht, sondern, wenn sie die Wahl gehabt hätte, Erzherzog Johann, den Bruder des letzten legitimen Kaisers.
Wenn dann auch noch der Preußenkönig den Deutschen sagt, „doch schenk ich dir die Freiheit NIE”, zeigt er damit seine Verachtung des Volkswillens und seine Ablehnung jeglicher verfassungsmäßiger Einschränkung seiner Macht. Die Souvenirs und die Karikatur zeigen zwei Seiten der Reaktion auf die Kaiserwahl. Kurze Begeisterung hier und Verbitterung da.
Foto: privat |
Frank BergerFrank Berger ist Kurator für Numismatik am Historischen Museum Frankfurt. Dort befindet sich in der ständigen Ausstellung ein größerer Bereich mit Objekten zum Kontext der Paulskirchenversammlung und der Ereignisse von 1848/ 1849. |
Alle Bilder: Historisches Museum Frankfurt. Abb. 1-3 F. Berger; Abb. 4 H. Ziegenfusz.