Spielkasten und Münzschnur. Ein Blick in die Sammlungsarbeit

Nico Geisen | 13. September 2023

In den Sammlungen des Deutschen Historischen Museums sind alle Objekte inventarisiert, ihre ursprünglichen Herkunfts- und Gebrauchskontexte aber nicht immer gut ersichtlich. Es ist daher eine der Hauptaufgaben der Sammmlungsvolontär*innen, die inhaltliche Erschließung dieser Objekte zu vervollständigen. Nico Geisen beschäftigte sich intensiv mit zwei Objektkonvoluten in der Sammlung Angewandte Kunst, die die kunstvoll gestalteten Gebrauchsgegenstände des Hauses bewahrt.

Eines dieser Objekte ist ein 2014 angekaufter Brettspielkasten mit 30 Spielsteinen (Inv. Nr. KG 2014/26.1-26.32). Der ursprüngliche Datensatz erläuterte, dass der um 1700 produzierte Kasten aus Holz feine Marketerien hat und Spielflächen für Schach, Mühle und Tric Trac enthält und damit ein schönes Beispiel für die Tradition der Brettspiele ist. Die zugehörigen Spielsteine mit Herrscher*innenporträts und allegorischen Darstellungen sind nur beiläufig erwähnt. Kaum weitere Informationen waren bisher aufgenommen.

Eine Katze springt einem sitzenden Mann an das entblößte Geschlecht. Die lat. Inschrift lautet übersetzt: „Der Schwanz, ah! Er hängt herab, Vorsicht, der Kater wird ihn fassen“ [Bilddatei: ME00067942]

Insbesondere die fein bearbeiteten Spielsteine bergen jedoch weitere Informationen, die für zukünftige Ausstellungen von Bedeutung sein können. Hierzu zählt zum Beispiel das Herstellungsverfahren. Sie wurden mit einer Stempeltechnik in Serienproduktion hergestellt. Dabei wird ein Holzbalken auf einen gewünschten Durchmesser gedrechselt und in die benötigte Anzahl von Holzrohlingen aufgeteilt. Die Rohlinge werden in eine Druckpresse gelegt, um die Darstellungen auf die Vorder- und Rückseite zu pressen. Holz eignet sich eigentlich nur bedingt für dieses Druckpressverfahren, da es ein sehr bruchfälliges Material ist. Durch den schwierigen Herstellungsprozess galten die Spielsteine daher als sehr wertvoll, auch wenn mit Ahorn und Birnbaum zumeist härteres Holz verwendet wurde. [1]

In Nürnberg gab es um 1700 eine Hochphase der Spielsteinproduktion. Zu dieser Zeit fanden die Abbildungen des Stempelschneiders Martin Brunner eine weite Verbreitung. Sein Kürzel „MB“ befindet sich auch auf den meisten Spielsteinen des erfassten Konvolutes. Die Abbildungen dienten u.a. zur additiven Unterhaltung beim Spielen. Neben Bildnissen von Herrscher*innen, die gegebenenfalls zum politischen Austausch anregten, setzten viele Liebes- und Sex-Darstellungen oder Allegorien einen ironischen Unterton, der belustigen sollte.

Alle Spielsteine sind nun systematisch und mit einem Foto erfasst. Sie sind zusätzlich zu den Basisdaten wie Datierung und Hersteller mit der genauen Benennung der Herstellungstechnik und einer Überblicksgeschichte zum Gegenstand sowie mit einer Identifizierung der abgebildeten Personen auch ikonographisch in der Sammlungsdatenbank tiefenerschlossen.  

Münzkette, sorbischer Brautschmuck, Silber, Sachsen, 1599/1901 (Inv. Nr. MK 83/473)

Auch eine sorbische Brautkette (Inv. Nr. MK 83/473), die 1983 als Zeugnis bäuerlicher sorbischer Kultur erworben und nach der Erstinventarisierung nicht weiter erforscht wurde, galt es zu erschließen. Die sogenannte Šnóra (aus dem Sorbischen, deutsch: Schnur) ist eine Münzkette. In neun Reihen sind 28 Münzen mit Lötösen aneinandergefügt, die jedoch noch nicht identifiziert wurden. Die Münzen stammen zum größten Teil aus Sachsen, doch auch mehrere bayerische und österreichische sind angehängt. Die Umschriften mit Herrscher*innentiteln wie „D.G.MAX.IOS.U.B.&P.S.D.C.P.R.S.R.I.A.&EL.L.L“[2] sind manchmal schwer zu entziffern, bieten jedoch nützliche Informationen. In manchen Fällen lässt sich zum Beispiel nur über die jeweilige Münzhoheit die Umlaufjahre der Münze einschätzen.

Abbild des bayerischen Herzogs Maximilian Joseph [Bilddatei: ME00069795]

Die Šnóra ist ein in der Oberlausitz in katholischen Familien getragener sorbischer Brautschmuck. Zumeist sind die ersten Münzreihen einer Kette schon im 19. Jahrhundert angefertigt und im Verlaufe der Zeit ergänzt worden. Sie werden traditionell an die Töchtergenerationen weitergegeben und bei der Heirat zur Hochzeitstracht angezogen. Die Anordnung der Münzen an der Kette folgt nur geringfügig einer Systematik.

Diese und weitere Rechercheergebnisse sind nun in der Sammlungsdatenbank des DHM ergänzt worden, so dass die Objekte für die Forschung ausführlich erfasst sind und für zukünftige Ausstellungsprojekte gezielter gesucht werden können.


[1] Weitere ausführliche Informationen in einer übersichtlichen Darstellung finden sich im Bestandskatalog des Germanischen Museums Nürnberg: Maué, Hermann, Spielsteine mit Bildern, 16. bis 19. Jahrhundert. Bestandskatalog des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2020.

[2] Vollständig: „Dei Gratia Maximilianus Iosephus Utriusque Bavariae et Palatinus superioris Dux, Comes Palatinus Rheni, Sacri Romani Imperii, Archdapifer et Elector Landgrafius Leuchtenbergii“ [Übersetzung: „Von Gottes Gnaden Maximilian Joseph Herzog von Bayern und Kurfürst von Oberpfalz und Kurpfalz, Imperator des Heiligen Römischen Reiches und Landgraf von Leuchtenberg“]

 

Nico Geisen

Nico Geisen ist Volontär in der Abteilung Sammlungen am Deutschen Historischen Museum.