Allerlei Aufkleber – Spuren der Kunst und Antiquitäten GmbH auf Objekten des Deutschen Historischen Museums

Christopher Jütte | 10. April 2024

In den Sammlungen des Deutschen Historischen Museums befinden sich Objekte der Kunst und Antiquitäten GmbH, deren Bestand sich unter anderem aus enteigneten Privatsammlungen in der DDR speiste. Provenienzforscher Christopher Jütte gibt zum Internationalen Tag der Provenienzforschung einen Einblick in die Arbeit der Entschlüsselung von Aufklebern und Codes, um der Herkunft dieser Objekte auf die Spur zu kommen.

Die Kunst und Antiquitäten GmbH, kurz: KuA, wurde 1973 in der DDR als Teil des Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo) gegründet. Als Teil des KoKo-Firmennetzwerks exportierte die KuA in der Zeit ihres Bestehens bis 1990 zahlreiche Kunst- und Kulturgüter aus der DDR in das „nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet“ mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Devisen. Ein relevanter Bestandteil der Handelsmasse der KuA speiste sich aus den Beständen in der DDR enteigneter Privatsammler*innen, deren Sammlungen oftmals durch konstruierte Steuerverfahren und fingierte Steuerschulden entzogen wurden. Derlei Objekte wurden im Hauptlager der KuA in Mühlenbeck gesammelt und von dort exportiert. Im November 1989 beendete die KuA ihre Exporttätigkeit; die Liquidation des Betriebs begann im Januar 1990. Die Museen der DDR hatten als erste die Gelegenheit, die in Mühlenbeck lagernden Restbestände für ihre Sammlungen zu erwerben. Davon machte auch das Museum für Deutsche Geschichte (MfDG) Gebrauch und erwarb dort im Frühjahr 1990 ca. 600 einzelne Objekte. Mit der Wiedervereinigung wurden die Sammlungen des aufgelösten MfDG – und damit auch die KuA-Objekte – an das Deutsche Historische Museum (DHM) übertragen.

Der Umstand, dass bei den KuA-Objekten der grundsätzliche Verdacht bestehen muss, dass es sich um unrechtmäßig entzogene Kunst- und Kulturgüter handeln kann, lässt Provenienzforscher*innen aufmerksam werden. In diesem Beitrag soll dokumentiert werden, welche Spuren die KuA an den Objekten, die sich heute in den Beständen des DHM befinden, hinterlassen hat.

Aufkleber in verschiedenen Formen und Farben: Eine Bestandsaufnahme

Die KuA versah die Objekte (z.B. Gemälde, Vasen, Schalen), mit denen sie handelte, mit diversen Aufklebern in verschiedenen Formen und Farben. Die Aufkleber sind beschriftet mit Buchstaben- und Zahlenkombinationen, die Hinweise auf den Einlieferer, die Erwerbswege der KuA sowie auf deren Lagerhaltung geben können. Die Entschlüsselung dieser codierten Aufschriften ist hierbei eine besondere Herausforderung und in vielen Fällen zum jetzigen Zeitpunkt sehr mühsam oder schlicht nicht möglich.

Bei der Betrachtung der Objekte im Bestand des DHM fällt zuerst auf, dass sich die KuA-Aufkleber nicht nur auf der Rück- bzw. Unterseite befinden, sondern in einigen Fällen direkt auf der Schauseite. Das Gemälde „Gefangennahme des französischen Obersten Le Clouet, Adjutant von Marschall Ney“ trägt auf der Vorderseite des Gemälderahmens noch zwei Aufkleber (Abb. 1).

Abb. 1: Gefangennahme des französischen Obersten Le Clouet, Adjutant von Marschall Ney, Öl auf Leinwand, 45x72cm, Werner Schuch (zugeschrieben), 1890 (nach), Inv.Nr. Kg90/2

Reste eines weiteren Aufklebers sowie Kleberückstände deuten darauf hin, dass sich dort noch zwei weitere Etiketten befunden haben. Das kleinere erhaltene Klebeetikett ist von blauer Farbe und trägt die handschriftlich aufgebrachte Aufschrift „HO9VI 70“ (Abb. 2). Der zweite Aufkleber ist weiß, rechteckig und trägt die Aufschrift „MfDG T3“. Hier wird der Käufer benannt, in diesem Fall das MfDG.

Abb 2.: Aufkleber auf der Vorderseite des Rahmens des Gemäldes Kg 90/2.

Bei einer gläsernen Schale wurden die Aufkleber auch ohne Rücksicht auf das Objekt platziert. Auf diesem Stück sind gleich drei verschiedene Aufkleber angebracht (Abb. 3).

Abb. 3: Schale mit Fuß und gewelltem Rand, Glas, 1820/1860, Inv.Nr.: MK 90/135.

Zwei davon befinden direkt außen auf der Schale. Der dritte wurde auf der Innenseite der Schale angebracht (Abb. 4-6).

Auch ein Vasenpaar ist von den KuA-Etiketten gezeichnet. (Abb. 7). Auf den beiden Glasvasen sind Aufkleber noch in Resten und als Klebespuren erhalten (Abb. 8). Ein Aufkleber weist noch die Reste einer Beschriftung aus römischen und arabischen Ziffern auf (Abb. 9).

Das Gemälde „Hamburger Hafen“ (Abb. 10 + 11) trägt die Aufkleber auf der Rückseite.

In der oberen linken Ecke des Rahmens befindet sich ein rechteckiger, roter Aufkleber mit der handschriftlich aufgebrachten Nummer „33“. Auf der rechten oberen Ecke finden sich zwei weitere Aufkleber. Ein grüner mit der Aufschrift „35“ sowie ein weißer, beschriftet mit „Bi 1989 627“ (Abb. 12).

Abb. 12: Zwei weitere Aufkleber auf der Rückseite von Kg 90/4.

Ein exemplarischer Versuch der Entschlüsselung
Wie aber lassen sich die Zahlen- und Buchstabenkombinationen auf den Aufklebern auflösen? Ein erstes Hilfsmittel zur Auflösung der Codes hat Dr. Bernd Isphording im Februar 2023 für das Bundesarchiv vorgelegt.1 Auf dieser Basis soll der zuvor genannte kleine blaue Aufkleber mit der Beschriftung „HO9VI 70“ zu einem Entschlüsselungsversuch herangezogen werden (s. Abb. 2). Das am Anfang stehende Kürzel „HO“ könnte zunächst auf die HO-Gebrauchtwaren Berlin verweisen. Der Rest des Nummerncodes scheint jedoch nicht damit übereinzustimmen, wie Zugänge aus der HO-Gebrauchtwaren Berlin in anderen Fällen dokumentiert wurden. Die für diesen Kontext belegte Schreibweise war hier HO + laufende Nummer in arabischen Ziffern.2 Bei dem vorliegenden Aufkleber wurde eher eine Schreibweise genutzt, wie sie der VEB Antikhandel Pirna verwendete, einer der wichtigsten Zulieferer der KuA. Der VEB Antikhandel Pirna arbeitete in der Regel mit einer Codierung aus arabischen und römischen Ziffern sowie mit Buchstaben. Getrennt wurden diese durch Leerstellen und Querstriche. Der Code besteht aus dem Namenskürzel des Ankäufers in zwei Buchstaben, dem Jahr des Erwerbs in arabische Ziffern, oft auch einstellig, dem Monat des Erwerbs in römischen Ziffern sowie der laufenden Nummer in arabischen Ziffern. Der Aufkleber auf dem Gemälde scheint diesem Muster zu entsprechen und würde sich folgendermaßen lesen: HO [= Kürzel des Ankäufers] 9 [= Jahr des Ankaufs, einstellig] VI [= Monat des Ankaufs, hier also Juni] 70 [laufende Nummer des Ankaufs].

Gleichzeitig soll hier erwähnt werden, dass auch andere einliefernde Betriebe diese Schreibweise des VEB Antikhandel Pirna nutzten, sodass am Ende vielleicht doch die HO-Gebrauchtwaren Berlin als Einlieferer in Frage käme.3 Endgültige Gewissheit über die Herkunft der KuA-Objekte lässt sich allerdings nur dann erlangen, wenn die durch die Aufkleber gewonnenen Hinweise durch Rechnungen oder Einlieferungsbelege belegt werden können.

Anhand dieses Beispiels lässt sich erahnen, wie komplex die Entschlüsselung der KuA-Codes sein kann. Die Aufkleber sind jedoch ein wichtiger Faktor, um zumindest eine Chance zu haben, die ehemaligen Eigentümer*innen der Objekte ermitteln zu können.


  1. Isphording, Bernd: Hinweise zur Aufschlüsselung von Aufklebernummern der Kunst und Antiquitäten GmbH im Bestand BArch DL 210, online: https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/Meldungen/2023-03-01_neues-hilfsmittel.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff: 26.03.2024) ↩︎
  2. Ebd., S. 14. ↩︎
  3. Ebd., S. 4 ↩︎

© Thomas Bruns

Christopher Jütte

Christopher Jütte ist Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter für Provenienzforschung am Deutschen Historischen Museum mit dem Schwerpunkt Sowjetische Besatzungszone (SBZ) und DDR.