Von der Idee zur Umsetzung – Interview mit Mathias Lang
25. September 2024
Mit der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder“ zeigt das Deutsche Historische Museum erstmals eine inklusiv gestaltete Ausstellung für Kinder im Grundschulalter. Ausgehend von dem Monatsbild „Januar – Februar – März“, das zu dem berühmten Jahreszeiten-Zyklus der sogenannten „Augsburger Monatsbilder“ aus dem 16. Jahrhundert und zu den bedeutendsten Kunstwerken der Sammlungen des DHM gehört, entfalten sich die Lebenswelten vor 500 Jahren wie eine begehbare 3D-Kulisse. Auf dem Gemälde abgebildete Menschen treten in den Ausstellungsraum und werden zu historischen Erzählfiguren, die zum gemeinsamen Erforschen und Erleben einladen.
Mit dieser Interviewreihe möchten wir die Personen und Teams vorstellen, die mit ihren Ideen und ihrer Expertise die Ausstellung erst möglich gemacht haben. In diesem Beitrag spricht Gemälderestaurator Mathias Lang über die umfangreichen Restaurierungsarbeiten an dem zentralen Element der Ausstellung – dem sogenannten Augsburger Monatsbild „Januar – Februar – März“.
„Besonders die vielen winzigen Figuren, Menschen und Tiere, die über die Gemälde verteilt vorkommen, sind gekonnt, wie einfach aus dem Handgelenkt, präzise und schwungvoll in nur wenigen Pinselstrichen aufgemalt.“
Mathias Lang, Gemälderestaurator im DHM
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eines der Augsburger Monatsbilder – ein Highlight der DHM-Sammlung. Sie haben sich in den vergangenen Jahren als Restaurator intensiv mit den Gemälden beschäftigt, mit seinen Inhalten, aber vor allem mit der künstlerischen Ausführung. Was ist für Sie persönlich das Besondere an diesen Bildern?
Die Bilder waren, als sie nach ihrem Ankauf in den 1990er Jahren ins Haus kamen, Jörg Breu d. Ä. zu geschrieben. Nach eingehender Recherche und Bildvergleichen kann dies heute ausgeschlossen werden. Die Monatsbilder sind nicht von gleicher malerischer Qualität, die bei Breu hochkarätig ist. Bei den Bildern aus der DHM-Sammlung handelt es sich um eine andere Malweise, die sehr „effizient“ und damit anzunehmender Weise relativ schnell ausgeführt wurden. Es ist davon auszugehen, dass mehrere Maler mit unterschiedlichen Themen beauftragt waren. So z.B. für die Landschaften, für die Figuren und Gesichter. Auch hier gibt es aber qualitative Unterschiede und voneinander stilistisch abweichende Auffassungen. Es waren offensichtlich sehr unterschiedlich begabte Maler am Werk. Besonders die vielen winzigen Figuren, Menschen und Tiere, die über die Gemälde verteilt vorkommen, sind gekonnt, wie einfach aus dem Handgelenk, präzise und schwungvoll in nur wenigen Pinselstrichen aufgemalt. Das geht bei der Größe der Gemälde unter – begeistert mich und meine Kolleginnen aber besonders. Das hat zu der Idee von Ferngläsern für die Kinder in der Ausstellung geführt, mit denen diese kleinen „Malschätze“ auf die Entfernung besser erfahren werden können. Solange ich und meine Kolleginnen an den Bildern arbeiten, lässt sich immer Neues entdecken, das liebevoll gestaltet ist und auch einen gewissen Humor der Ausführenden aufzeigt. Da gibt es eine miniaturgroße Darstellung eines „Schäferstündchen“, einen Herrn, der sich vermutlich aufgrund zu viel Weingenusses aus einem Fenster heraus erleichtert, und vieles mehr. So werden die Gemälde in ihrer Erzählvielfalt und nicht unbedingt aufgrund ihrer künstlerischen Umsetzung zu etwas ganz Besonderem.
Warum musste der Gemäldezyklus restauriert werden? Welche Maßnahmen wurden angewendet?
Die Gemälde wurden in den 1990er Jahren nach dem Ankauf für eine ausstehende Ausstellung in Augsburg mit dem Namen „Kurzweil viel ohn`Maß und Ziel“ restauriert. Sie waren in sehr schlechtem Zustand. Über die Jahrhunderte sind sie gerollt, geknickt und gefaltet worden. Das hat zu Verlusten von Malerei geführt. Schäden wurden innerhalb verschiedener Behandlungsphasen behoben. Fehlende Malerei wurde durch Retuschen und Übermalungen ergänzt. Die Bilder wurden doubliert, d.h. die Leinwand wurde durch eine neue, darauf verklebte verstärkt. Die Formate aller Bilder wurden verändert, indem man sie rundherum abgeschnitten und neue Ränder durch aufgeklebte Leinwandstreifen geschaffen hatte. Die Restaurierung der Bilder bestand in der Abnahme gedunkelter Firnisschichten (Glanzüberzug), als auch in der Abnahme alter sich farblich veränderter Retuschen und Übermalungen. Lose Farbschicht wurde gefestigt. Partien fehlender Malerei wurden damals in Strichtechnik zurückhaltend geschlossen.
Die Vorbereitungen zur neuen ständigen Ausstellung erhob jetzt die Frage nach neuen Zierrahmen und wie die Gemälde, die bisher ohne passende Zierrahmen nur in Notleisten präsentiert wurden, ausgestellt werden sollten. Da angenommen werden kann, dass sie ursprünglich in Wandvertäfelungen präsentiert wurden, wurde anhand zeitgenössischer Vorbilder ein Architekturrahmen der Renaissance entworfen und ausgeführt, der ihre vermutete Ausstellung in seiner Form aufgreift. Originale Malerei war überall auf Spannkanten erhalten und zu ergänzende Bildteile rekonstruierbar. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurden Bereiche in Strichtechnik ergänzter Malerei verfeinert. In einer vorhergehenden Restaurierungskampagne war dies bereits für die unteren Bereiche der Gemälde begonnen worden. Dies, sehr zugunsten, jetzt besser wahrzunehmender Bilddetails.
Welche Erkenntnisse für die Forschung haben sich während des Restaurierungsprozesses ergeben?
Die Urheberschaft bleibt offen. Die ursprüngliche Zuschreibung an Jörg Breu d. Ä./und Werkstatt ist nicht zu halten. Aufgrund der Maltechnik und verwendeter Materialien gehen wir davon aus, dass das Gemälde nicht, wie früher angenommen, 1531 entstanden ist, sondern eher in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
Die Gemälde besitzen den gleichen maltechnischen Aufbau einer weißen ersten Grundierung, mit einer folgenden grauen Schicht auf die gemalt wurde. Stilistisch scheinen jeweils zwei Bildpaare besser miteinander vergleichbar. Die Umsetzung von Perspektive und die Führung von Licht und Schatten werden besonders im Gemälde „Juli-August-September“ sehr „modern“ und schon fast barock anmutend umgesetzt. Es kann nur die weitere Beschäftigung mit der tatsächlichen Provenienz der Bilder zu mehr Einsicht über Urheberschaft und Herkunft führen. Dies ist erschwert durch im Zweiten Weltkrieg zerstörte Archive.
Foto: Thomas Bruns |
Mathias LangMathias Lang ist Gemälderestaurator im Deutschen Historischen Museum. |