Von der Idee zur Umsetzung – Interview mit Christina Behrendt, Laura Groschopp, Daniela Lange und Peter Schützhold
22. November 2024
Mit der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder“ zeigt das Deutsche Historische Museum erstmals eine inklusiv gestaltete Ausstellung für Kinder im Grundschulalter. Ausgehend von dem Monatsbild „Januar – Februar – März“, das zu dem berühmten Jahreszeiten-Zyklus der sogenannten „Augsburger Monatsbilder“ aus dem 16. Jahrhundert und zu den bedeutendsten Kunstwerken der Sammlungen des DHM gehört, entfalten sich die Lebenswelten vor 500 Jahren wie eine begehbare 3D-Kulisse. Auf dem Gemälde abgebildete Menschen treten in den Ausstellungsraum und werden zu historischen Erzählfiguren, die zum gemeinsamen Erforschen und Erleben einladen.
In unserer Interviewreihe stellen wir die Personen und Teams vor, die mit ihren Ideen und ihrer Expertise die Ausstellung möglich gemacht haben. In diesem Beitrag sprachen Christina Behrendt (Veranstaltungen), Laura Groschopp (Marketing), Daniela Lange (Presse) und Peter Schützhold (Digitale Kommunikation) von der Abteilung Kommunikation über die Kommunikationskampagne und die Erfahrungen in der Ansprache einer sehr jungen Zielgruppe.
Wie erreicht ein Museum Kinder und Familien?
Laura Groschopp: Mit der begleitenden Kommunikation zur ersten Kinderausstellung am DHM haben wir zielgerichtet junge Museumsgäste im Grundschulalter und ihre Familien sowie Lernbegleiter*innen angesprochen, um sie neugierig auf unser Angebot zu machen. Die spielerische Auseinandersetzung mit Geschichte in Form einer interaktiven Ausstellung für ein junges Publikum hat in Berlin Seltenheitswert. Diesen Aspekt haben wir für unsere Kommunikationskampagne herausgearbeitet. Ein wichtiges Learning war dabei die Identifikation der relevanten Kanäle für unsere Zielgruppe, indem wir uns gefragt haben: Wer entscheidet in der Familie, was man gemeinsam unternimmt? Welche Medien konsumieren Kinder? Wo suchen Familien nach Tipps für Unternehmungen?
Erste Touchpoints für unser Publikum sind Plakate, Flyer und Beiträge auf Social Media. Die visuelle Gestaltung musste demnach auf den ersten Blick Interesse genieren und Lust machen die Ausstellung zu besuchen. Da wir noch keine weitreichenden Erfahrungen mit einer eigens für ein sehr junges Publikum konzipierten Ausstellung hatten, haben wir uns die Expertise unseres Kinderbeirats an die Seite geholt und in Workshops alle Fragen um kindgerechte Gestaltung und Kommunikation besprochen. Unsere Agenturen Studio Bens und Visual Space Agency haben darauf basierend ein Motiv entwickelt, das uns auf den Ausstellungsplakaten, unserer Website, den Social-Media-Kanälen und schließlich wieder in der Ausstellung begegnet: einen Zeitgeist. Das freche, zeitlose Wesen mit zwei emoji-ähnlichen Augen auf kontrastreichem Hintergrund fällt auf und weckt das Interesse aller Altersgruppen.
Welche Formate wurden für die Ansprache der neuen Zielgruppe entwickelt?
Peter Schützhold: Um zielgerichtet Kinder und ihre Familien zu erreichen, haben wir die Informationen zu unserer Kinderausstellung crossmedial über verschiedene Kommunikationskanäle verbreitet. Neben der Einbindung von DHM-Website, Social-Media-Kanälen und Plakaten, um die Angebote rund um die Ausstellung – von Inhalten, über Öffnungszeiten, bis zum Vermittlungsprogramm – sichtbar zu machen, haben wir neue Formate für die Zielgruppe konzipiert.
Bei der Recherche zur Identifikation der relevanten Kanäle für die Ansprache eines jungen Publikums konnten wir feststellen, dass dieses überwiegend auf YouTube zu finden ist. Daher haben wir gemeinsam mit der Agentur Pony Factory ein interaktives Video entwickelt. Es lädt ein, in die Rolle von Luise zu schlüpfen und so das Augsburger Monatsbild, das zentrale Objekt der Ausstellung, digital zu erkunden. Luise trifft auf die dort lebenden Menschen und erfährt Spannendes über die Zeit. Sie kommt allerdings nur vorwärts, wenn sie die richtigen Fragen beantwortet – aber auch bei der falschen Antwort erhält sie wertvolles Wissen über die Frühe Neuzeit und kann sich einen neuen Weg durch das Gemälde suchen. Mit diesem digitalen Format liefern wir eine spielerische Möglichkeit, sich auf die Ausstellung vorzubereiten oder im Anschluss noch einmal in das Thema zu vertiefen.
Laura Groschopp: Neben dem Blick auf die Individualbesucher*innen lag unser Fokus auf Schulklassen und Hortgruppen. Sie haben die Maöglichkeit, zu feststehenden Zeiten am Vormittag ein Workshop-Format zu buchen, das speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Für die Kommunikation dieses Angebots haben wir ein Printprodukt entwickelt, dass gezielt auf Schulen angepasst wurde. Es handelt sich dabei um eine kleine Version des Ausstellungsplakats, das in Schulen und Horten aufgehängt werden kann und so das Interesse von Schüler*innen und Lehrer*innen sowie Eltern generiert. Inhaltlich enthält es spezifische Informationen über Termine und Buchungsmodalitäten.
Peter Schützhold: Darüber hinaus gibt es immer wieder Verschränkungen zwischen Inhalten der Ausstellungen und der Kommunikation nach außen. So gibt es Takeouts von einem Videoprojekt, das in der Ausstellung gezeigt wird, auf der Website zu sehen. Der Kinderbeirat „Die klugen Zauberdrachen“ berichtet in der Ausstellung von seiner Zusammenarbeit mit dem DHM und fordert die Besucher*innen zur Partizipation auf. Der kleine Sneak Peak soll bereits vor dem Besuch zeigen, dass Kinder bei der Konzeption der Ausstellung einbezogen wurden und gleichzeitig Lust machen, die gesamten Filme in der Ausstellung zu sehen.
Laura Groschopp: Unser Kinderbeirat „Die klugen Zauberdrachen“ hat sich gewünscht, dass es etwas gibt, das sie als Erinnerung mit nach Hause nehmen können. Genau diesen Vorschlag haben wir aufgenommen und eine Karte entwickelt, die anhand kleiner Rätsel durch die Ausstellung führt und danach als Erinnerungsstück fungieren kann. Im besten Falle werden sie sogar zu Multiplikator*innen für unser Angebot.
Wie können Medienarbeit, Kooperationen und Veranstaltungen dabei unterstützen, die Museumsangebote für Kinder sichtbar zu machen?
Laura Groschopp: Bei der Vorabrecherche für die Ausstellungskommunikation wurde deutlich, dass die Entscheidungen für Aktivitäten in der Freizeit in der Familie oder gemeinsam mit Freundinnen und Freunden getroffen werden. Eben diese müssen wir also überzeugen, unsere Ausstellung anschauen zu wollen. Hierbei hat die Kooperation mit einem Magazin, das sich rund um das Leben mit Kindern dreht, und einem Radiosender für Kinder und Familien geholfen. Durch die Kommunikation auf diesen Kanälen konnten wir zielgerichtet Kinder und ihre Familien erreichen und dadurch schnell eine relevante Reichweite aufbauen. Wenn man über Kooperationen spricht, muss darüber hinaus auch der Museumssonntag erwähnt werden. Durch die Möglichkeit einmal im Monat berlinweit kostenfrei Ausstellungen zu besuchen, ist an diesen Tagen auch bei uns ein großes, diverses Publikum zu finden, das eine historische Ausstellung so teilweise zum ersten Mal entdeckt.
Daniela Lange: Auch bei der Medienarbeit ist eine zielgruppenspezifische Kommunikation entscheidend. Hier mussten wir zunächst neue redaktionelle Kontakte zu TV-Formaten, Radiosendungen sowie Print- und Onlinemedien aufbauen, die Kinder, (Groß-) Eltern und Familien in ganz Deutschland, aber auch auf regionaler Ebene gern und regelmäßig konsumieren. Dabei war uns neben der Zusammenarbeit mit den Kuratorinnen auch die Einbindung der „Klugen Zauberdrachen“ sehr wichtig. Sie waren nicht nur am sehr gut besuchten Pressetermin und einem Fotoshooting vor dem Augsburger Monatsbild beteiligt, sondern gaben auch selbst zahlreiche Interviews und O-Töne zu ihrer Aufgabe am DHM. Colin, ein Mitglied des Kinderbeirats, wurde sogar eine komplette Folge des Kinder-Podcasts „Kakadu bei euch“ gewidmet. Neben der Produktion ansprechender Texte und auf den Ausstellungsbesuch Lust machender Fotos ist auch das Finden immer neuer Berichtsanlässe wesentlich: So boten und bieten beispielsweise das große Eröffnungswochenende zum Internationalen Kindertag, die Sommer- und Herbstferienangebote oder die 14. Berliner Familiennacht ideale Aufhänger für eine Berichterstattung während der gesamten Laufzeit.
Christina Behrendt: Den Anfang der Ausstellung zelebrierten wir mit einem ganzen Eröffnungswochenende, das am Internationalen Kindertag begann. Nachdem die „Klugen Zauberdrachen“ das Eröffnungsband durchgeschnitten hatten, luden wir Kinder und Familien ein, auf Entdeckungsreise durch die Ausstellung gehen. Daneben gab es im bunt geschmückten Museum zahlreiche Bastel- und Kreativstationen und leckere Snacks. Dieses Wochenende war der perfekte Start, um die neue Kinderausstellung sichtbar zu machen und zielgerichtet ein großes Publikum zu erreichen.