Von der Idee zur Umsetzung – Interview mit Anna-Jelena Schilling und Tom Gärtner

22. Januar 2025

Mit der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder“ zeigte das Deutsche Historische Museum vom 2. Juni 2024 bis zum 19. Januar 2025 erstmals eine inklusiv gestaltete Ausstellung für Kinder im Grundschulalter. Ausgehend von dem Monatsbild „Januar – Februar – März“, das zu dem berühmten Jahreszeiten-Zyklus der sogenannten „Augsburger Monatsbilder“ aus dem 16. Jahrhundert und zu den bedeutendsten Kunstwerken der Sammlungen des DHM gehört, entfalteten sich die Lebenswelten vor 500 Jahren wie eine begehbare 3D-Kulisse.

In unserer Interviewreihe stellen wir die Personen und Teams vor, die mit ihren Ideen und ihrer Expertise die Ausstellung möglich gemacht haben. In diesem Beitrag sprachen Anna-Jelena Schilling, Projektassistentin und Tom Gärtner, studentischer Mitarbeiter über die Evaluation der Ausstellung.

Welche Rolle spielt die Evaluation der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder“?

Anna-Jelena Schilling: „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder“ war die erste Kinderausstellung im Deutschen Historischen Museum. Sie war also nicht nur eine von unzähligen besonderen Wechselausstellungen, sondern stand für die bewusste Erschließung einer neuen Zielgruppe, die ganz eigene Bedarfe hat. „Rein ins Gemälde!“ sollte deswegen als eine Art „Probebühne“ für den zukünftigen Bereich für Kinder und Familien im Zeughaus dienen. Für das Projektteam der neuen Ständigen Ausstellung lag es auf der Hand, nicht nur von der Ausstellung an sich, sondern auch direkt von den neuen Besuchenden zu lernen. Dass sehr viele Kinder für die Ausstellung ins DHM kamen und sich augenscheinlich wohl fühlten, war wichtig, war aber als Resümee nicht ausreichend. Wir wollten die neue Zielgruppe besser verstehen und unsere Ansätze, dort wo sie gelungen waren, weiterentwickeln. Als Grundlage hierfür sollte eine fundierte Evaluation dienen. Nicht zuletzt sehen wir es als unsere Aufgabe, der neu gewonnen Zielgruppe von heute als „Besuchende von morgen“ schon früh unsere Wertschätzung entgegen zu bringen und möglichst viel von den Erfahrungen für die Entwicklung des neuen Bereichs mitnehmen zu können.

In der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder” © DHM/David von Becker

Wie wird das Feedback des Publikums zur Ausstellung erfasst und ausgewertet?

Tom Gärtner: Um herauszufinden, wie die Ausstellung auf Kinder und ihre Begleitpersonen wirkt, setzten wir auf vielseitige Ansätze der Besuchendenforschung. Beispielsweise beobachteten wir vor Ort, wie lange Kinder an den Stationen verweilen und welche Objekte oder Spiele sie besonders anziehen. Durch Gespräche mit den kleinen und großen Besuchenden erhielten wir direkte Eindrücke: Welche Figuren oder Geschichten bleiben im Kopf? Was macht besonders Spaß, und wo könnte es besser laufen? Auch die Nutzung von Begleitmaterialien wie dem Mitgebsel, dem Rätsel-Faltblatt wurde analysiert, um zu verstehen, welche Hilfsmittel gut oder weniger gut ankommen.

Das Feedback wurde durch verdeckte Beobachtungen und direkte Gespräche erfasst. Wir dokumentierten, wie Kinder und Begleitpersonen mit den Stationen interagierten und welche Elemente besonders ansprechend waren. In Gesprächen teilten Kinder ihre Eindrücke und kritisieren weniger ansprechende Elemente.

Die gesammelten Daten werden im Anschluss daran ausgewertet, um Muster und Vorlieben zu erfassen. So zeigt sich, welche Inhalte besonders fesseln und wo Barrieren bestehen. Die Auswertung hilft, die Vermittlungsziele der Ausstellung zu überprüfen und ein Gleichgewicht zwischen spielerischer Erfahrung und Wissensvermittlung zu finden.

In der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder” © DHM/David von Becker

Welche Beobachtungen/Antworten haben überrascht?

Tom Gärtner: Hörstationen haben sich als absolute Highlights herausgestellt. Kinder lauschen den Geschichten oft gebannt und erinnern sich später erstaunlich genau an Details. Interaktive Elemente wie die Lanzenstation sind ebenfalls Favoriten – alles, was angefasst, ausprobiert oder gestaltet werden kann, zieht sofort Aufmerksamkeit auf sich. Besonders spannend: Kinder beeinflussen sich gegenseitig. Begeisterte Ausrufe wie „Das ist die beste Station!“ sorgen dafür, dass sich schnell eine kleine Traube um die beliebtesten Bereiche bildet.

Erwachsene sind mehr als nur Begleitung: Sie lesen vor, erklären Inhalte und helfen dabei, den Zugang zu komplexeren Informationen zu erleichtern. Dabei wird deutlich: Während Kinder sich ganz auf das Spielen und Erleben konzentrieren, achten Erwachsene stärker auf die pädagogischen Aspekte und reflektieren den Lernwert der Ausstellung. Es war erfreulich zu beobachten, dass sich dabei angeregte Dialoge zwischen den Besuchenden entwickeln und die Ausstellung zu einem gemeinsamen Erlebnis wird.

Interessant ist auch, dass bestimmte Inszenierungen die Aufmerksamkeit auf ganz besondere Weise anziehen. Ob es die angeleuchtete Butzenscheibe ist oder das unrestaurierte Gemälde – solche Elemente schaffen einen Anreiz und bleiben im Gedächtnis. Auch Spielstationen, die klar mit den historischen Inhalten verknüpft sind, fördern sowohl Verständnis als auch Begeisterung.

Leicht zu verstehende Aufgabenstellungen helfen, Inhalte nachhaltig zu vermitteln. Kinder lieben es, spielerisch Geschichte zu entdecken, und behalten Gelerntes durch eigene Aktivitäten besser im Kopf. Das zeigte sich auch in der Auswertung der Befragungen.

Diese gesammelten Erkenntnisse zeigen, dass interaktive und sinnlich erfahrbare Elemente der Schlüssel zu einer erfolgreichen Vermittlung sind. Doch ebenso wichtig bleibt die Rolle der Begleitpersonen, die Kinder unterstützen und Verbindungen zu komplexeren Themen herstellen. Diese Einsichten der Besuchendenforschung helfen dabei, die Ausstellung weiterzuentwickeln – für ein Erlebnis, das unterhaltsam, lehrreich und inspirierend ist.

In der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder” © DHM/David von Becker

Welche Erkenntnisse aus der Evaluation werden bei der Entwicklung des geplanten Kinder- und Familienbereichs im Zeughaus eine wichtige Rolle spielen oder sollten übernommen werden?

Anna-Jelena Schilling: Insgesamt sollte natürlich möglichst viel von unseren Erkenntnissen aus der vergangenen Kinderausstellung in die Entwicklung des zukünftigen Kinder- und Familienbereichs mit einfließen. Momentan befinden wir uns noch in der Themenfindung, so dass inhaltliche Übertagungen stark davon abhängig sein werden. Aus dem Konzept vom „Rein ins Gemälde!“ lässt sich aber in jedem Fall sehr viel ableiten, was wir nun auch auf Grundlage der Evaluation weiterverfolgen möchten.

Wie vor dem großen Gemälde aus der Serie der „Augsburger Monatsbilder“ scheint es sinnvoll, einen Ankunftsbereich für Gruppen zu schaffen, von dem aus man sich in der restlichen Ausstellung orientieren kann. Diese Fläche sollte sowohl räumlich als auch inhaltlich für eine Einführung geeignet sein. In diesem Kontext sollte auch die Lautstärke, ausgehend von verschiedenem Besucherverhalten, in der Ausstellungsarchitektur mitgedacht werden. Ebenso sollte die Heterogenität der familiären Kleingruppen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen in der Ausstellung und Infrastruktur von Bedeutung sein. So zeigte sich beispielsweise, dass eine große Anzahl an Sitz- und Rückzugsmöglichkeiten in einer Kinderausstellung besonders wichtig ist.

Der Ansatz des DHMs auch in einer Kinderausstellung von historischen Objekten unserer Sammlung auszugehen, hat sich vielseitig bestätigt und wurde insbesondere vom Fachkollegium in zahlreichen Führungen sehr befürwortet. Da klassische Objekttexte aber für Kinder keine große Rolle spielen, ist es entscheidend, die Objekte für die durchaus begeisterungsfähigen jungen Besuchenden in die Methode eines kreativen Storytellings einzubinden. So kann schon bei Kindern ein Lernen über Geschichte spielerisch initiiert werden.