DIE SCHWANGERE FRAU AUS ELFENBEIN
In unserer Reihe „Wozu das denn?“ führen wir Sie in die Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts und stellen Ihnen unerwartete, skurrile und überraschende Objekte aus unserer Dauerausstellung vor.
Sie wirkt sehr klein und zart in der großen Vitrine und ist schnell zu übersehen neben den anderen Objekten zum Thema Ehe, Familie und Taufe: Die schwangere Frau ist ein anatomisches Demonstrationsmodell von etwa 1680. Seine Besonderheit ist das Material, aus dem es geschnitzt wurde: Elfenbein. Durch den Glanz und seine natürliche Beschaffenheit, wurde Elfenbein im späten 17. Jahrhundert als Knochenersatzmaterial genutzt. Gleichzeitig ist dieses Material sehr brüchig.
Die Bauchdecke ist abgenommen, zu sehen sind die inneren Organe, ebenso Gebärmutter und Fötus. Erkennungszeichen eines Anatomiemodells sind die eingeschnittenen Kniescheiben und der gespreizte kleine Finger sowie die Lachgrübchen, die sich auf den Nürnberger Elfenbeinschnitzer Stephan Zick zurückführen lassen. Seine Werkstatt war nicht nur für solche Modelle bekannt, sondern auch für die Herstellung von anatomischen Augen von Modellen.
SAMMLERSTÜCK FÜR KUNSTLIEBHABER
Der gute Erhaltungszustand unseres Objekts lässt vermuten, dass es sich um ein Sammlerstück für Kunstliebhaber handelt und weniger um ein Lehrobjekt für Hebammen und Anatomen im 17. und 18. Jahrhundert. Ein weiterer Hinweis, dass es womöglich nicht zu Studienzwecken verwendet wurde, ist die wenig genaue Anatomie der inneren Organe.
Dass Objekte von dieser Art noch immer Sammler begeistern, zeigt der me Collectors Room in der Auguststraße in Berlin. Hier ist die Wunderkammer Olbricht mit Kunstkammer-Objekten aus Renaissance und Barock zu sehen. Unter ihnen ebenfalls das Lehrmodell einer schwangeren Frau von Stephan Zick. Im Kontext einer Wunderkammer erhält das zarte Elfenbein-Modell noch eine ganz andere Wirkung als in der historischen Einordnung für den Bereich Geburt und Taufe im 17. / 18. Jahrhundert im Deutschen Historischen Museum.