„Das gute teure Stück“
Highlights aus der Schenkung von Dr. Edna Brocke
Monika Boll | 6. April 2020
Im Rahmen der Ausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“ hat das Deutsche Historische Museum eine großzügige Schenkung von Dr. Edna Brocke, Judaistin und Großnichte von Hannah Arendt, erhalten. Die Schenkung bereichert die Bestände des Museums um wertvolle Zeugnisse einer der wichtigsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Einige Objekte werden außerdem in der aktuellen Ausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“ gezeigt. Da diese im Rahmen der Präventionsmaßnahmen zur Eindämmung des sogenannten Coronavirus nicht zugänglich ist, stellt Monika Boll, Kuratorin der Ausstellung, ein paar Highlights daraus vor.
Dr. Edna Brocke, geb. Fuerst, wurde 1943 in Jerusalem geboren. Ihre Eltern, Käte (geb. Lewin) und Ernst Fuerst (ein Cousin Hannah Arendts), waren 1934 aus Deutschland nach Palästina geflohen. Nach ihrem Militärdienst in der Israelischen Armee studierte sie Politikwissenschaft, Anglistik und Judaistik an der Hebräischen Universität Jerusalem. 1955 traf sie in Israel erstmals ihre Großtante Hannah Arendt, die sie später während des Eichmann-Prozesses mehrfach in den Gerichtssaal mitnahm. Edna Brocke kam Ende der 1960er Jahre nach Deutschland und leitete von 1988 bis 2011 die Begegnungsstätte Alte Synagoge Essen. Brocke ist seit 1986 Mitbegründerin und -herausgeberin der Zeitschrift „Kirche und Israel“. Sie erhielt zwei Ehrenpromotionen für ihr Werk auf den Gebieten der Theologie und 2002 die Buber-Rosenzweig-Medaille. Von 1956 bis 1975 stand Edna Brocke mit ihrer Großtante in einem vertrauten Briefwechsel. Sie trafen sich in Israel und besuchten sich gegenseitig in Deutschland, in der Schweiz und New York.
Neben den vielen zeitgeschichtlichen Themenschwerpunkten der Ausstellung, bei denen es um Hannah Arendts Urteile und Kontroversen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts geht, stellen wir Arendt in weiteren Stationen auch als Persönlichkeit vor. Die wunderbaren Objekte aus der Schenkung von Edna Brocke geben einen schönen Einblick dazu.
Aktentasche
Dazu gehört ein wichtiges Arbeitsutensil der amerikanischen Professorin Hannah Arendt: eine blaue, lederne Aktentasche. Sie trägt das Firmenlogo Mark Cross und wurde hergestellt von der 1845 in Boston gegründeten Lederwarenfirma, die später auch Dependancen in New York und London unterhielt. Das Unternehmen existiert noch heute und steht für Lederwaren der Luxusklasse. Die Tasche trägt die goldenen Initialen „H.A.B.“, die für Hannah Arendt Blücher stehen. Ein Hinweis, der zeigt, dass Arendt in den USA den Doppelnamen ihres zweiten Ehemanns Heinrich Blücher führte. Edna Brocke berichtet, dass sie später die Aktentasche ebenfalls für ihre eigenen Seminare gebrauchte.
Zigarettenetui
Ein weiteres Objekt, das man unbedingt auch als Arbeitsutensil bezeichnen muss, ist das Zigarettenetui der Marke Alfred Dunhill, Ltd., Messing, geprägt, galvanisch vernickelt mit einem äußeren schwarzen Lederbezug. Hannah Arendt war eine leidenschaftliche Raucherin. Rauchen und Denken gehörten für sie untrennbar zusammen. Das kann man sehr gut in ihrem berühmten Interview mit Günter Gaus von 1964 beobachten, das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen und auf YouTube abrufbar ist – wo es übrigens schon fast eine Million Klicks hat.
Schmuck
Hannah Arendt liebte Schmuck und elegante Kleidung. 2019 haben wir ein Filminterview für die Ausstellung mit der Modetheoretikerin Barbara Vinken gemacht. Dabei ging es um die Frage, inwiefern eine weibliche Intellektuelle sich öffentlich auch als Frau präsentieren darf. Barbara Vinken antwortete:
„Ich finde, dass das Hannah Arendt auf eine unglaublich elegante Weise gelungen ist, weil sie ihre Weiblichkeit weder versteckt hat, noch sie in den Schatten gestellt hat. Sondern die ganz selbstverständlich angenommen hat und ganz in sich ruhend als Frau Intellektuelle war.“
Wir zeigen dazu eine goldene Gliederkette mit griechischem Muster und eine Perlenkette aus Jade. Beide Ketten sieht man häufig in Filmaufnahmen und auf Fotografien von Hannah Arendt.
Pelzcape
Zu den „bürgerlichen Parafernalia der Dame“ (B. Vinken) gehört auch das Pelzcape, Macy’s Little Shop, Mink, New York, 1950er Jahre. Auf der Innenseite des Capes findet sich ein maschinengesticktes Monogramm »H A B« für Hannah Arendt Blücher.
Wie wichtig Arendt der Pelz war, zeigt eine Ermahnung an ihren Mann von 1952:
„Dass Du den Pelz nicht eingemottet hast, ängstigt mich wirklich. Das gute teure Stück.“
Edna Brocke erinnert sich, dass Hannah Arendt den Pelz an einem Abend im April 1973 in New York getragen hat. Der Anlass war eine Einladung an ihre Großnichte und deren Mann sowie den mit Arendt befreundeten Politikwissenschaftler Hans Morgenthau in die Metropolitan Opera. Auf dem Programm stand „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss.
Dank der Schenkung von Edna Brocke können diese und andere Gegenstände von Hannah Arendt das erste Mal in einem Museum (und vorerst hier auf dem DHM-Blog) gezeigt werden. Sie zeugen von Arendts ausgeprägtem Stilbewusstsein und eröffnen den Besucherinnen und Besuchern einen persönlichen Zugang zur politischen Theoretikerin.
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Monika BollMonika Boll ist Philosophin und Kuratorin der Ausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“. |