Blüchers Hutkoffer

Thomas Weißbrich | 16. April 2021

Für die Sammlungen des Deutschen Historischen Museums konnte im vergangenen Jahr ein Hutkoffer des preußischen Generalfeldmarschalls Blücher erworben werden. Der Leiter der Militaria-Sammlung Dr. Thomas Weißbrich erläutert in seinem Beitrag das Objekt, seinen historischen Kontext und zwei Hüte aus der Schlacht bei Waterloo.

Hutkoffer des Generals Gebhardt Leberecht von Blücher, 1809, Inv.Nr. U 2020/2, © DHM

Hutkoffer des Generals Gebhardt Leberecht von Blücher, 1809, Inv.Nr. U 2020/2, © DHM

Ein großer schwarzer Koffer aus Blech in der Form eines Zweispitzes. Auf einem Schild ist der Name des Besitzers graviert: „Generalfeldmarschall Blücher“, darunter die Datierung „1809“. Hutkoffer wie dieser waren damals praktische Verpackungen für den Transport, sie schützten die darin aufbewahrten Kopfbedeckungen vor Beschädigungen. Die Feldzüge, auf die der preußische Feldherr Gebhard Leberecht von Blücher seine Hutkoffer im Gepäck mitführte, waren alles andere als ungefährlich. Zwei große Schlachten sollten ihn zu einem der populärsten Heerführer Europas und zur Erinnerungsfigur werden lassen.

Blücher (1742-1819) war als junger Mann im Siebenjährigen Krieg, 1760, in ein preußisches Husarenregiment eingetreten. In den folgenden Jahren machte er als Offizier Karriere. Als Brigadekommandeur erlebte er 1806 die Schlacht bei Auerstedt, die große Niederlage gegen die Truppen des französischen Kaisers Napoleon, die halb Europa eroberten. Nach dem Frieden von Tilsit 1807 sprach sich Blücher am königlichen Hof wieder für militärisches Engagement Preußens und Bündnisse gegen Frankreich aus, doch ohne Erfolg. Als er 1809 zum General der Kavallerie befördert wurde, befand er sich im Wartestand.

Anonym, Generalfeldmarschall Fürst Gebhardt Leberecht Blücher von Wahlstatt, 1814, Inv.Nr. Kg 57/21, © DHM

Anonym, Generalfeldmarschall Fürst Gebhardt Leberecht Blücher von Wahlstatt, 1814, Inv.Nr. Kg 57/21, © DHM

Die preußisch-britische Begrüßung bei Waterloo

1813 verbündete sich der zögernde preußische König Friedrich Wilhelm III. mit dem Zarenreich Russland und erklärte Frankreich den Krieg. Bei Leipzig kam es zur drei Tage dauernden „Völkerschlacht“ (16.-19. Oktober 1813), an der mit rund 600.000 Soldaten so viele beteiligt waren, wie an keiner anderen des gesamten 19. Jahrhunderts. Am Abend des 19. Oktober ließ Blücher, der preußischerseits den Oberbefehl hatte, seine Truppen die noch von den Franzosen gehaltene Stadt stürmen. Napoleon erlitt eine schwere Niederlage, er zog seine Armee zurück. Seine Macht zerfiel, infolge des Sieges schlossen sich weitere deutsche Staaten dem preußisch-russischen Bündnis an. Der König verlieh Blücher den höchsten militärischen Rang, später ernannte er ihn zum Fürsten von Wahlstatt. Der Generalfeldmarschall wurde in Preußen und anderen deutschen Ländern gefeiert, aber auch im Kreise der Verbündeten, speziell in Großbritannien. Die Briten hatten zwar den geringsten Anteil an der Leipziger Schlacht gehabt, doch war die Erleichterung über die Niederlage Napoleons auf der Insel nicht weniger groß als auf dem Kontinent. 1814 hielt sich Blücher zu einem kurzen Besuch in London auf, wo er mit königlichen Ehren empfangen und mit Begeisterung begrüßt wurde.

Die unerwartete Rückkehr Napoleons aus seinem Exil von der Insel Elba und sein Versuch, die verlorene Macht zurückzugewinnen, schreckte die Verbündeten im Frühjahr 1815 auf. Blücher erhielt das Kommando der preußischen Armee, Arthur Wellesley, Herzog von Wellington, das über die britisch-niederländischen Truppen. In Belgien wollten sie den französischen Feldzug stoppen.

Napoleon sah seine Chance darin, die gegnerischen Armeen getrennt zu schlagen. Am 16. Juni besiegte er bei Ligny Blüchers preußisches Kontingent. Der Generalfeldmarschall geriet in dem Kampf in Lebensgefahr, als sein Pferd erschossen und er im Sturz unter ihm begraben wurde. Zwei Tage später traf die französische Armee bei Waterloo auf die von Wellington geführte Streitmacht. Der Ausgang dieser Schlacht blieb lange Zeit ungewiss. Als sich die Lage für Wellington bedrohlich entwickelte, soll er, auf die versprochene preußische Unterstützung hoffend, angeblich ausgerufen haben „I want night or Blucher!“, was in Deutschland in der Übertragung „Ich wollte, es würde Nacht oder die Preußen kämen“ bekannt wurde. Am Abend erreichten die vom verletzten Blücher zum Eilmarsch angetrieben Preußen tatsächlich das Schlachtfeld und wendeten das Blatt zugunsten der Alliierten.

Thomas Jones Barker, Meeting of Wellington and Bloucher on the Eve of Waterloo, um 1850, Inv.Nr. Gm 93/65, © DHM

Thomas Jones Barker, Meeting of Wellington and Bloucher on the Eve of Waterloo, um 1850, Inv.Nr. Gm 93/65, © DHM

Zum Inbegriff der preußisch-britischen Kooperation und des gemeinsam errungenen Sieges über Napoleon wurde das Treffen des Generalfeldmarschalls und des Herzogs, zu dem es nach der Schlacht beim Gasthaus in Belle-Alliance kam. Verschiedene Maler setzten es später in Szene. Auf dem Gemälde von Thomas Jones Barker ist der Hut Blüchers ein wichtiges Accessoire, nicht in seiner Funktion als Schutz gegen Wind und Wetter – es hatte stark geregnet – sondern als Ausdrucksmittel zur Ehrbezeugung und Anerkennung. Die beiden Feldherren, die sich zuvor nicht persönlich begegnet waren, ziehen ihre Hüte voreinander. Während es als sicher gilt, dass Wellington bei der Begegnung wie auf dem Bild einen Zweispitz trug, lässt sich die Kopfbedeckung Blüchers nicht mehr eindeutig klären. Möglich ist auch, dass es eine schlichte Feldmütze war.

Erinnerungsstücke an die Befreiungskriege

Die Schlacht bei Waterloo zählte die britische Geschichtsschreibung schon bald zu den großen Schlachten der Weltgeschichte, als entscheidenden Sieg über den als Despoten interpretierten Napoleon; für die  preußische hingegen war die Völkerschlacht bei Leipzig weitaus bedeutender. Sie ließ sich, wie die gegen die napoleonische Herrschaft gerichteten so genannten Befreiungskriege insgesamt, als Ereignis deuten, das ein gesamtdeutsches Nationalgefühl geweckt habe. Die Erinnerung daran nahm daher einen festen Platz im preußisch-deutschen Geschichtsbild des 19. Jahrhunderts ein. Sie schlug sich nicht nur in Geschichtsbüchern und Erzählungen nieder, sondern auch in privaten Souvenirs und öffentlichen Denkmälern. Wenige Jahre nach Blüchers Tod – er war 1819 auf seinem Schloss Krieblowitz in der Nähe von Breslau gestorben – ließ König Friedrich Wilhelm III. ihm in Berlin neben dem Kronprinzenpalais ein Denkmal setzten. Es zeigt einen entschlossen blickenden Feldherrn, barhäuptig, in der rechten Hand den gezogenen Säbel, den linken Fuß auf einem eroberten Kanonenrohr.

Das bronzene Denkmal überdauerte die Zeiten bis in die Gegenwart, die patinierte Skulptur steht auf dem heutigen Bebelplatz in Berlin-Mitte. Von Blüchers Garderobe ist hingegen kaum etwas erhalten geblieben, weder ein Zweispitz noch ein Offiziersrock oder eine Feldbinde, auch kein Umhang und keine Hose – was beispielhaft auf die relativ geringe Überlieferungsquote vor allem textiler Objekte verweist. Vieles von dem, was nicht aufgetragen und dadurch verbraucht wurde, ging im Laufe von zwei Jahrhunderten verloren. Der Blücherstern, eine nur ihm verliehene besondere Version des Eisernes Kreuzes, wurde schon 1820 beim Brand seines Schlosses vernichtet. Eine Feldmütze sowie sechs Orden, im Berliner Zeughaus aufbewahrt, gehören zu den Museumsverlusten des Zweiten Weltkriegs.

Anonym, Aus grosser Zeit. Blücher empfängt bei Genappe Orden, Hut u. Degen Napoleons. 1815, um 1910, Inv.Nr. 1987/189.362, © DHM

Anonym, Aus grosser Zeit. Blücher empfängt bei Genappe Orden, Hut u. Degen Napoleons. 1815, um 1910, Inv.Nr. 1987/189.362, © DHM

Während an Blüchers Kopfbedeckungen nur noch der Hutkoffer erinnert, hat sich aus der Schlacht bei Waterloo ein Zweispitz seines Kontrahenten erhalten – nicht ohne Zutun des Generalfeldmarschalls: Nach der Schlacht erbeuteten preußische Soldaten die Reisekutsche Napoleons und mit ihr einen „petit chapeau“. Diese Trophäe wurde Blücher in seinem Quartier in Genappe überbracht, von wo aus sie in die königliche Kunstkammer nach Berlin kam. Nach mehreren weiteren Stationen befindet sich dieser Hut, gut konserviert, in der Sammlung des Deutschen Historischen Museums.