Von der Idee zur Umsetzung – Interview mit Hans Hagemeister

2. Oktober 2024

Mit der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder“ zeigt das Deutsche Historische Museum erstmals eine inklusiv gestaltete Ausstellung für Kinder im Grundschulalter. Ausgehend von dem Monatsbild „Januar – Februar – März“, das zu dem berühmten Jahreszeiten-Zyklus der sogenannten „Augsburger Monatsbilder“ aus dem 16. Jahrhundert und zu den bedeutendsten Kunstwerken der Sammlungen des DHM gehört, entfalten sich die Lebenswelten vor 500 Jahren wie eine begehbare 3D-Kulisse. Auf dem Gemälde abgebildete Menschen treten in den Ausstellungsraum und werden zu historischen Erzählfiguren, die zum gemeinsamen Erforschen und Erleben einladen.

Mit dieser Interviewreihe möchten wir die Personen und Teams vorstellen, die mit ihren Ideen und ihrer Expertise die Ausstellung erst möglich gemacht haben. In diesem Beitrag spricht Ausstellungsgestalter Hans Hagemeister über das Gestaltungskonzept und die anschließende Umsetzung.

„Im Themenbereich „Spiele“ zitieren wir das Karomuster eines Schachbrettes aus dem Gemälde, das sich am Boden und in der Gestaltung der Ausstellungselemente widerspiegelt. Auf diese Weise erweitern wir das Gemälde in den Raum hinein.“
Hans Hagemeister, Ausstellungsgestalter im DHM

Was galt es bei der Gestaltung der Kinderausstellung zu beachten? Wie unterscheidet sich eine solche Ausstellung von bisherigen Ausstellungen im DHM?

Die Ausstellung soll vor allem für Kinder ansprechend und einladend sein und ihnen einen leichten Zugang zu den behandelten Themen bieten. Deshalb gibt es neben einigen Originalobjekten viele Mitmach-Stationen, an denen sich die Besucherinnen und Besucher auf sinnliche und spielerische Art mit geschichtlichen Fragen und den Bezügen zu heute auseinandersetzen können. Dazu gehören beispielsweise Puzzle, Würfel-, Geschicklichkeits- und Zuordnungsspiele.
Da viele Kinder noch nicht lesen können, oder ihnen das Lesen noch schwerfällt, sollten die Mitmach-Stationen möglichst selbsterklärend gestaltet werden, um auch ohne Lektüre der Wandtexte zu funktionieren.

Farbkonzept für die Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder“ orientierend an den Farben des Gemäldes „Augsburger Monatsbild Januar-Februar-März“, Foto: © DHM

Welchem Grundprinzip folgen Sie mit Ihrem Gestaltungskonzept? Was ist die gestalterische Leitidee?

Der Titel der Ausstellung „Rein ins Gemälde!“ ist Programm. Auch für die Gestaltung war das Eintauchen in das Gemälde die Grundidee.
Das Monatsbild selber haben wir ins Zentrum der Ausstellung gesetzt. Drumherum sind mehrere Themenbereiche verteilt. Für jedes dieser Themen gibt es ein gestalterisches Zitat aus dem Gemälde mit inhaltlichem Bezug zum jeweiligen Thema. So ist zum Beispiel ein blaugrauer Raum mit Rundbogenfenstern und einem großen Tisch ebenso dem Gemälde entlehnt wie eine Arkadenreihe, die den Marktplatz säumt. Im Themenbereich „Spiele“ zitieren wir das Karomuster eines Schachbrettes aus dem Gemälde, das sich am Boden und in der Gestaltung der Ausstellungselemente widerspiegelt. Auf diese Weise erweitern wir das Gemälde in den Raum hinein. Die ganze Ausstellung wird so zum vergrößerten Gemälderaum, durch den wir wandeln können.

Modell der Ausstellung „Rein ins Gemälde! Eine Zeitreise für Kinder“; Foto © DHM


Was ist Ihr Lieblingsbereich in der Ausstellung? Was war am Herausforderndsten bei der Umsetzung?

Bei den jungen Besucherinnen und Besuchern kommt ein Spiel ganz besonders gut an, welches das im Gemälde dargestellten Lanzenturnier nachstellt. Die Kinder können versuchen, eine sich bewegende Zielscheibe mit einer Lanze zu treffen. Dazu müssen sie sich auf einen Schaukelhocker setzten, um, wie auf einem Pferd reitend, mit etwas Geschick, die Zielscheibe zu treffen.

Modell der Spielstation „Turnierreiten“, Foto: © DHM

Spielstation „Turnierreiten“ in der Ausstellung; Foto: © DHM/David von Becker

Die größte Herausforderung bei der Umsetzung unserer Ideen ergab sich bei der Murmelbahn. Die verwendeten Murmeln mussten eine gewisse Größe haben, damit sie auch von Kleinkindern nicht verschluckt werden können. Entsprechend mussten wir auch einen relativ dicken Schlauch verwenden, der nur nach verschieden Versuchen und mit speziellen Hilfsmitteln um eine der vorhandenen Stützen im Raum gewickelt werden konnte. Zunächst funktionierte es so. Mit der Zeit hat sich der gewundene Schlauch jedoch etwas verformt. Er ist flacher geworden, sodass die Murmeln steckenblieben …
Aber auch dieses Problem haben kreative Fachleute des Museums gelöst: Die Murmeln kullern wieder!

 

Hans Hagemeister

Hans Hagemeister ist Ausstellungsgestalter im Deutschen Historischen Museum.