4. Wer wurde in die Nationalversammlung gewählt?
Im Vorparlament war eine Zahl von 649 Mandaten errechnet worden, die sich auf 585 reduzierte, als viele Wahlkreise in Böhmen und Mähren beschlossen, einem deutschen Parlament nicht angehören zu wollen. So vertrat ein Abgeordneter etwa 50000 Menschen. Da im Verlauf der Verhandlungen viele Parlamentarier ausschieden und durch neue ersetzt wurden, hatten bis zur Auflösung der Versammlung insgesamt etwa 800 Männer auf den Bänken der Paulskirche Platz genommen.
Lange wurde in der Geschichtsschreibung von einem „Professorenparlament“ gesprochen, womit nicht nur die schlechte Vertretung der „unteren Schichten“, sondern auch die Vergeistigung, die wenig an realer, unmittelbarer Politik interessierte Arbeit der Volksvertreter gemeint war. Doch die Professorenschaft war mit 50 Vertretern zwar nicht gerade unterrepräsentiert, dominierte aber die Versammlung keineswegs. Gleichwohl deren Zahl zu den nur vier Männern aus handwerklichen Berufen und drei Bauern in einem deutlichen Missverhältnis stehen. Am besten wird die Paulskirchenversammlung wohl als akademisch dominiert charakterisiert. Rund dreiviertel aller Abgeordneten waren an einer Universität ausgebildet worden. Die meisten davon (491) waren Juristen und damit scheinbar prädestiniert für die Ausarbeitung einer Verfassung. Beruflich gesehen überwogen im ersten deutschen Parlament die Beamten. Insgesamt 436 Abgeordnete arbeiteten vorher im Staatsdienst. Diese hohe Zahl ist nicht zuletzt dadurch zu erklären, dass Staatsbeamten beurlaubt werden konnten, während alle anderen vermögend oder zuhause gut vertreten sein mussten, um sich die monatelange Abwesenheit leisten zu können. 149 Parlamentarier zählten zur freiberuflichen Intelligenz (Advokaten, Schriftsteller, Journalisten, Ärzte), 39 waren Geistliche, 56 übten wirtschaftliche Berufe wie den eines Kaufmanns oder Fabrikanten aus. 43 hatten Großgrundbesitz. Überraschend ist, dass die revolutionäre Paulskirchenversammlung immerhin 130 Adlige zu ihren Mitgliedern zählte. Die meisten entstammten jedoch dem mittleren und gehobenen Bürgertum.
Diese Zusammensetzung ist zum einen durch die teilweise starke Beschränkung der Wähler zu erklären. Durch die Bindung der Wahlfähigkeit an die Selbständigkeit konnten in einigen Gebieten nur wenige überhaupt wählen gehen. Da es noch keine Parteien gab, kandidierte zum anderen häufig nur eine einzige Person, aufgestellt von einem demokratischen Verein oder durch seine Bekanntheit dazu auserkoren. Dadurch gelangten fast nur die jeweiligen Honoratioren, die redegewandtesten, angesehensten oder gebildetesten in die Paulskirche.