Die Nationalversammlung in der Paulskirche 1848

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9. Woran scheiterte die erste deutsche Nationalversammlung?

Nachdem die Nationalversammlung am 4. Mai 1849 zur Durchsetzung der Verfassung aufgerufen hatte, kam es in zahlreichen deutschen Staaten zu erneuten revolutionären Erhebungen. Mit der Verfassung hatten die Aufständischen eine Errungenschaft von hoher Symbol- und Integrationskraft zu verteidigen. Die Enttäuschung über die Nationalversammlung war, wenn nicht vergessen, so doch zweitrangig geworden.

Doch anders als noch ein Jahr zuvor waren die Regierungen der Staaten nicht überfordert, nicht mehr macht- und planlos. Gezielt warfen starke Truppen Aufstand um Aufstand nieder. Wo die eigenen Soldaten nicht ausreichten halfen preußische gerne aus. Im Juli 1849 schließlich konzentrierte sich der letzte revolutionäre Widerstand auf die ehemalige Bundesfestung Rastatt, die von 5600 Mann mehrere Wochen lang belagert wurde. Am 23. Juli ergaben sich die Verteidiger, die Revolution war beendet, die alten Machthaber hatten gesiegt und machten sofort den neuen Kurs deutlich. Allein in Rastatt wurden 51 Personen sofort standrechtlich hingerichtet. 10000 Menschen wurden in ganz Baden festgenommen.

Als Reaktion auf Willkür und Terror verließen Zehntausende ihre Heimat und wanderten aus. Die Nationalversammlung war bereits im Mai auf etwa 130 Mann geschrumpft, nachdem Preußen, Sachsen, Hannover und Baden ihre Abgeordneten abgezogen und weitere 65 Parlamentarier ihren Austritt erklärt hatten. Um dem Zugriff heranrückender preußischer Truppen zu entgehen, beschlossen die restlichen Delegierten in Württemberg Schutz zu suchen. So traten am 4. Juni noch 100 Mann in Stuttgart zusammen. Als dieses Rumpfparlament sich anschickte, der württembergischen Regierung Anweisungen für den Kampf um die Reichverfassung zu erteilen, kam es zum endgültigen Bruch. Der württembergische Regierungschef und Abgeordnete Friedrich Römer trat aus dem Parlament aus und löste es schließlich am 18. Juni unter massivem Druck aus In-und Ausland auf. Die trotzdem am nächsten Tag erschienen Abgeordneten ließ er durch Infanterie auseinander treiben.

Zu den vielen Faktoren, die zum Scheitern der Nationalversammlung führten, gehört vor allem die innere Uneinigkeit des Parlaments. Die Liberalen fanden nicht genug Mut, dem monarchischen System zu entsagen und auf der Basis der Volkssouveränität eine Republik zu wagen. Gleichzeitig stoppten sie die Revolution, wo ihre bürgerlichen Rechte errungen waren, ohne Rücksicht auf die Forderungen der Handwerker, Bauern, Arbeiter. Als sie schließlich deren Aufstände mit eigenen Truppen niederschlagen ließen, hatten sie jeden Rückhalt in der Bevölkerung verloren.

Noch entscheidender ist aber vielleicht der Widerstand der einzelstaatlichen Regierungen. Nachdem sie die Revolutionäre mit Zugeständnissen hatten abspeisen und beruhigen können, konnten sie langsam wieder erstarken. Auch unterstützt durch die Uneinigkeit und zunehmende Enttäuschung in der Bevölkerung. Die lange Zeit, die sich die Nationalversammlung bei ihren Beratungen nahm, die fehlende oder falsche Prioritätensetzung der Paulskirche taten ein übriges. Die Frage, ob der Versuch einer freiheitlichen Staatsgründung zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt eine Chance hatte, wird freilich weiter Spekulation bleiben müssen.