Die Nationalversammlung in der Paulskirche 1848

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2. Gab es Vorläufer der Nationalversammlung?

Die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung, der Griff der deutschen Bevölkerung nach Selbstbestimmung und damit nach Freiheit, folgte den großen Beispielen Frankreichs und der USA. In Nordamerika erklärten die vormaligen Kolonien am 4. Juli 1776 ihre Unabhängigkeit und richteten Zweikammer-Parlamente ein. Nach dem Sieg über die Briten 1781 schlossen sie sich zu einem Staatenbund zusammen und ließen 1787 durch einen Delegiertenkongress in Philadelphia eine noch heute gültige Verfassung ausarbeiten. In Frankreich spaltete sich 1789 der sogenannte Dritte Stand der von Ludwig XVI. einberufenen Generalstände ab und konstituierte sich als Nationalversammlung. Diese erarbeitete bis 1791 eine Verfassung.

Als die Paulskirchenversammlung am 18. Mai 1848 feierlich zum ersten Mal zusammentrat, hatte sie zwar die gleiche Aufgabe, war aber bereits durch die Wahl der Abgeordneten unmittelbar vom „Volk“ dazu beauftragt worden. Direkte Vorläufer der Nationalversammlung waren die Parlamente der deutschen Einzelstaaten. In den südwestdeutschen Ländern waren bereits zwischen 1814 und 1830, in den anderen nach der Julirevolution 1830, moderne Repräsentativverfassungen entstanden, die allerdings nur die Repräsentation Weniger garantierten. Lediglich in Baden konnten alle Gemeindebürger und Beamten wählen, in den anderen Staaten hing die Stimme vom Vermögen ab. Die erste Kammer setzte sich ohnehin aus Adel, Vertretern der Kirchen, Universitäten und Städten zusammen. Diese Parlamente verfügten über wenige politische Befugnisse. Weder konnten sie Gesetzesvorlagen einbringen, noch bei der Regierungsbildung mitbestimmen. Doch ihre Mitbestimmungsrechte in Finanzfragen und ihr Petitionsrecht machten sie zu Brennpunkten des öffentlichen Lebens. Hier „lernten“ die zuvor Ausgeschlossenen Politik.

Häufig wurden für die zwei Kammern neue Gebäude errichtet, die eine spezifische Parlamentsarchitektur zu entwickeln halfen. Sie orientierte sich meist an ihrer Funktion. Halbkreisförmige Säle mit auf das Rednerpult und den Präsidentensitz ausgerichteten Sitzreihen und Emporen für die Besucher, erwiesen sich als ideale Bauform. Damit schien die Paulskirche in Frankfurt der geeignete Ort für die Nationalversammlung zu sein, auch wenn die heute üblichen Nebenräume für Fraktionen, Ausschüsse und die Versorgung der Abgeordneten fehlten. Für die von der Nationalversammlung zu erledigende Aufgabe, die Ausarbeitung einer freiheitlichen, für alle deutschen Länder gültige Verfassung, gab es in Deutschland keine Vorbilder. Das Ergebnis nach knapp einem Jahr ist darum umso erstaunlicher und trotz des Scheiterns von entscheidender Bedeutung für die weitere deutsche Geschichte.