Die Säule von Cape Cross
Deutsches Historisches Museum gibt Wappensäule vom Cape Cross an Namibia zurück
In seiner Sitzung vom 16. Mai 2019 hat das Kuratorium des Deutschen Historischen Museums beschlossen, die Wappensäule vom Cape Cross an den namibischen Staat zurückzugeben. Es ist damit der Empfehlung von Prof. Dr. Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums, gefolgt.
In einer diplomatischen Note vom 1. Juni 2017 hatte die Republik Namibia die Bundesrepublik Deutschland zur Rückgabe der Säule vom Cape Cross aufgefordert. Die Säule wird voraussichtlich im August dieses Jahres nach Namibia zurückkehren.
Prof. Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien: „Die Rückgabe der Säule vom Cape Cross ist ein deutliches Signal, dass wir uns zur Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit bekennen und gemeinsam mit den Herkunftsstaaten konstruktive Wege für ein respektvolles Miteinander suchen und finden. Über viele Jahrzehnte war die Kolonialzeit ein blinder Fleck in unserer Erinnerungskultur. Viel zu lange war die in dieser Zeit geschehene Ungerechtigkeit vergessen und verdrängt. Mit der Rückgabe dieser symbolträchtigen Wappensäule erkennen wir die Bedeutung an, die Kulturgüter für die Identität von Staaten und Gesellschaften haben. Die Rückgabe ist ein Beitrag zu Versöhnung und Verständigung mit den in Namibia lebenden Menschen. Gleichzeitig übernehmen wir Verantwortung für die deutsche Kolonialvergangenheit. Diese zukunftsweisende Entscheidung ist nicht zuletzt auch ein Schritt hin zu einem partnerschaftlichen Dialog zwischen Deutschland und Namibia auf Augenhöhe, in Respekt und Würde. Sie zeigt: Die Kultureinrichtungen des Bundes fühlen sich der gemeinsamen Aufarbeitung der deutsch-namibischen Kolonialgeschichte verpflichtet.“
S.E. Andreas B.D. Guibeb, Botschafter der Republik Namibia in der Bundesrepublik Deutschland: „Das Steinkreuz spielt eine wichtige Rolle bei der Aufarbeitung unserer Geschichte, und wir sind dankbar, dass das Kuratorium dem Wunsch der namibischen Regierung und des namibischen Volkes entsprochen hat, es zurückzugeben. Die Rückkehr des originalen Kreuzes ist für uns ein wichtiger Schritt dabei, mit unserer von Demütigungen und systematischen Rechtsverstößen geprägten kolonialen Vergangenheit Frieden zu schließen. Wir müssen uns dieser schmerzhaften Vergangenheit öffnen und sie annehmen, denn erst dann werden wir uns mit Bewusstsein und Zuversicht der Zukunft stellen können. Für uns ist diese Geste ein weiterer Schritt auf unserem gemeinsamen Weg nach vorn, nachdem wir uns entschlossen und vorbehaltlos allen Feldern der uns verbindenden Vergangenheit gewidmet haben. Es ist bedeutsam, dass wir als die Generation von Namibianern, die unter der kolonialen Vergangenheit gelitten hat, langsam, doch sicher dahinscheiden kann, ohne miterleben zu müssen, dass dieses Kapitel für beendet erklärt wird. Gegenwärtige und zukünftige Generationen in beiden Ländern widmen sich begreiflicherweise stärker Fragen einer tragfähigen Zukunft. In diesem Bereich können Namibia und Deutschland gemeinsam ein wichtiges Beispiel geben.“
Prof. Dr. Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums: „Ich freue mich sehr über diese Entscheidung. Die Säule ist eines der ganz wenigen Objekte, das die frühen Anfänge der Eroberung des Landes durch europäische Mächte dokumentiert. Für das kulturelle und politische Selbstverständnis der Namibier ist sie von unschätzbarem Wert. Mit der Rückgabe der Säule möchten wir an das historische Unrecht, das Deutschland mit der Errichtung der Kolonialherrschaft und der Verbrechen, die in diesem Zusammenhang begangen wurden, erinnern. Mit der Rückgabe der Säule wollen wir aber auch in Deutschland das Bewusstsein über diesen Teil der Geschichte stärken. Vor allem aber ist die Rückgabe ein Signal für die Zukunft: Wir erwarten, dass sich aus der Rückgabe und den Diskussionen, die in diesem Kontext jetzt schon geführt wurden, eine vertrauensvolle und dauerhafte Zusammenarbeit zwischen deutschen und namibischen Museen entwickelt – dass es möglich wird, die geteilte Geschichte beider Länder gemeinsam zu betrachten und zu diskutieren.“
Koloniale Objekte und historische Gerechtigkeit: Symposium und Magazin
Vorangegangen war der Entscheidung am 7. Juni 2018 das interdisziplinäre Symposium „Die Säule von Cape Cross – Koloniale Objekte und historische Gerechtigkeit“. Mehr als 350 internationale und nationale Gäste diskutierten am Beispiel der Säule öffentlich und ergebnisoffen mit Politikerinnen und Historikern, Botschaftern und Juristinnen, Kuratorinnen und Philosophen aus Deutschland, Österreich, Portugal, Botswana und Namibia über die philosophisch-ethischen, historischen, museologischen und völkerrechtlichen Fragestellungen, die im Umgang mit kolonialen Objekten in Museen auftreten. Im Februar 2019 veröffentlichte das Museum die Beiträge der geladenen Expertinnen und Experten, ergänzt um Stimmen aus den Diskussionen, in seinem neuen Magazin „Historische Urteilskraft“.
Wechselvolle Objektgeschichte
Die Wappensäule von Cape Cross ist seit 2006 in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums ausgestellt. Sie zeigt das portugiesische Wappen, gekrönt von einem Kreuz. Auf ihr ist in Lateinisch und Portugiesisch der Herrschaftsanspruch des portugiesischen Königs João II. über das Land festgehalten. Der Seefahrer Diogo Cão hatte Ende des 15. Jahrhunderts im Auftrag des portugiesischen Königs auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien den westafrikanischen Küstenverlauf erkundet und 1486 an der Küste des heutigen Namibia die Wappensäule errichtet. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die 3,50 Meter hohe und 1,1 Tonnen schwere Säule in das Deutsche Kaiserreich verbracht, als das Gebiet Teil der Kolonie „Deutsch-Südwest-Afrika“ geworden war, und gelangte über einige Umwege in die Sammlung des Deutschen Historischen Museums. An ihrer Stelle ließ Kaiser Wilhelm II. 1895 als eigenes Herrschafts-zeichen eine Nachbildung der Säule aus Granit mit einer zusätzlichen deutschen Inschrift und dem Reichsadlerwappen errichten. In Namibia wurde 1986 auf dem Cape Cross genannten Ort eine originalgetreue Replik der Wappensäule eingeweiht.