Karl Marx und der Kapitalismus
Ab dem 10. Februar 2022 im Deutschen Historischen Museum
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Spätestens seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/2008 erfahren der Kapitalismus und Karl Marx als dessen wichtigster Analytiker und Kritiker wieder starke Aufmerksamkeit. Als Namensgeber autoritärer Ideologien und Diktaturen im 20. Jahrhundert bleibt Marx umstritten. Gleichzeitig sind die Fragen, die er in seiner Wirtschafts- und Gesellschaftskritik des 19. Jahrhunderts stellte, im gegenwärtigen Umbruch von der industriellen zur postindustriellen Gesellschaft aktueller denn je. In der Ausstellung „Karl Marx und der Kapitalismus” (10. Februar bis 21. August 2022) präsentiert und problematisiert das Deutsche Historische Museum Marx’ Denken und Wirken als intellektuelle und politische Auseinandersetzung mit den tiefgreifenden Krisen und Konflikten seiner Zeit.
Die Industrialisierung löste im 19. Jahrhundert in Deutschland und Europa immense ökonomische, soziale und kulturelle Umwälzungen aus, die als Bedrohung des gesellschaftlichen Zusammenhalts wahrgenommen wurden. Über eine politische und wirtschaftliche Doppelrevolution hinaus vollzog sich die erste moderne Globalisierungswelle. Zu den schärfsten Kritikern der Verwerfungen der Moderne und des sich dynamisch verändernden Kapitalismus gehörte Karl Marx. Als Philosoph, Journalist, Ökonom und politischer Aktivist hatte er das Ziel, die neuen Verhältnisse versteh- und veränderbar zu machen. Den Kapitalismus verstand Marx als globalisierte, prinzipiell krisenhafte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die nach einer proletarischen Revolution durch eine kommunistische Gesellschaft abgelöst werden solle. Als Revolutionär und staatenlosen Europäer deutscher Herkunft prägten ihn die Entwicklungen in Frankreich, Großbritannien, den USA, Indien oder Russland, umgekehrt wirkten seine Analysen auf die Reform- und Arbeiterbewegungen verschiedener Länder zurück.
Die Ausstellung zeigt, was Marx bewegte, worauf er reagierte, wie sich seine Theorien wandelten und wo er sich widersprach. Im Mittelpunkt stehen sieben Themen, die Marx’ Gegenwart und seine Kapitalismuskritik bestimmten und die auch heute nichts von ihrer Brisanz verloren haben: religions- und gesellschafts-kritische Kontroversen, Antisemitismus, Revolution und Gewalt, neue Technologien, Naturzerstörung, globale Wirtschaftskrisen sowie internationale Protest- und Emanzipationsbewegungen.
Marx’ Historisierung verbindet die Ausstellung dadurch auch mit Fragen nach seiner Aktualität. Gleichzeitig wirft sie im Epilog einen kritischen Blick auf die weltweite Rezeption seiner Theorien im 20. und 21. Jahrhundert und verdeutlicht, dass Marx’ ambivalentes Werk auch eine ambivalente Wirkungsgeschichte entfaltete.
Neben Gemälden, Zeichnungen, Dokumenten, Fotografien und Plakaten greift die Kuratorin Sabine Kritter auf Audiocollagen, Grafiken und Animationen zurück, um Marx’ Analysen in Bezug zu seiner Epoche zu setzen. Originale Objekte wie eine Dampfmaschine oder eine Achtstundenuhr, aber auch interaktive Stationen und eine olfaktorische künstlerische Installation veranschaulichen auf rund 500 Quadratmetern die Wucht und Ambivalenz des technischen und sozialen Wandels im 19. Jahrhundert. Dass Marx’ Zeitdiagnosen und Prognosen sich veränderten und mitunter widersprüchlich blieben, zeigt die Ausstellung anhand von Exponaten wie Marx’ handschriftlichen Anmerkungen in seinem persönlichen Exemplar von „Das Kapital” (1867) oder dem mit seinem Wegbegleiter Friedrich Engels verfassten „Manifest der Kommunistischen Partei“ von 1848, dem sie in der Ausgabe von 1872 ein verändertes Vorwort voranstellten. Eine wuchtige Marmorbüste von Marx, die im sogenannten Karl-Marx-Jahr 1953 als Staatsgeschenk der Volksrepublik Rumänien an die DDR ging und in der ersten Ausstellung des kurz zuvor gegründeten Museums für Deutsche Geschichte zu sehen war, verweist auf die ideologische Vereinnahmung von Marx’ Ideen im 20. Jahrhundert.
Karl Marx und Richard Wagner: Zwei Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts
2022 widmet sich das Deutsche Historische Museum zwei deutschen Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts: den Zeitgenossen Karl Marx (1818-83) und Richard Wagner (1813-83). Beide haben enorme Wirkung auf das 19., das 20. und anhaltend auch das 21. Jahrhundert entfaltet. Und beide wurden von politisch entgegengesetzten Lagern zu Ikonen erhoben: Marx von links, Wagner von rechts. Bis auf wenige Jahre haben sie die gleiche Welt erlebt, die gleichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüche beobachtet, aber letzten Endes sehr unterschiedliche Schlüsse daraus gezogen: Marx wollte die Moderne überholen, Wagner sie neu entwerfen.
Parallel zur Ausstellung „Karl Marx und der Kapitalismus” ist vom 8. April bis 11. September 2022 die Ausstellung „Richard Wagner und das deutsche Gefühl” im DHM zu sehen: Sie zeigt Wagner nicht nur als Zeugen und Kritiker der politischen und sozialen Umbrüche des 19. Jahrhunderts, sondern als umstrittenen Künstler und Unternehmer, der gesellschaftliche und emotionale Befindlichkeiten strategisch in seinem Werk aufzugreifen und als „Deutschtum” zu inszenieren wusste und dessen Erfolg ohne einen modernen kapitalistischen Kunstmarkt nicht denkbar gewesen wäre.
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