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Das Deutsche Historische Museum verlängert die Laufzeit seiner aktuellen Ausstellung „Staatsbürgerschaften. Frankreich, Polen, Deutschland seit 1789“: Noch bis Sonntag, den 12. März 2023 haben die Besucherinnen und Besucher Gelegenheit, sich mit dem Bedeutungswandel und der Mobilisierungskraft von Staatsbürgerschaft vom „langen“ 19. Jahrhundert bis heute auseinanderzusetzen.

Im Blick auf die historische Entwicklung in den drei Nachbarländern Frankreich, Polen und Deutschland seit 1789 schlägt die Ausstellung den Bogen bis in die Gegenwart und berührt viele Themen, die von hoher Aktualität im politisch-gesellschaftlichen Diskurs sind – von den wiederkehrenden Debatten um die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts bis zur völkerrechtswidrigen Zwangsvergabe von Pässen.

Raphael Gross, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum: „Als im Gespräch mit Dieter Gosewinkel, dem Kurator der Ausstellung, die Idee entstand, zum Thema Staatsbürgerschaft eine Ausstellung zu entwickeln, war ein Hauptgedanke, wie sehr es das Leben eines jeden Menschen prägt, eine bestimmte Staatsbürgerschaft zu haben oder nicht zu haben und wie wesentlich also die rechtlichen und politischen Fragen der Erlangung und Aufgabe oder des Verlustes der Staatsbürgerschaft sind. Und obwohl die Ausstellung bis in Debatten der jüngsten Vergangenheit führt, war nicht absehbar, wie hochaktuell sie im Zeitraum ihrer Präsentation angesichts erneuter politischer Diskurse sein würde. Es freut mich, dass wir mit der Verlängerung der Laufzeit den Besucherinnen und Besuchern des DHM noch bis März das Angebot machen können, sich mit den historischen Entwicklungen eingehend und anschaulich auseinanderzusetzen.“

Dieter Gosewinkel, Historiker und Kurator der Ausstellung: „Staatsbürgerschaft gehört nicht einfach in das verstaubte Arsenal verfallender nationalstaatlicher Gebäude. Von dieser Überzeugung ließ sich die Ausstellung von Beginn an in ihrer Konzeption und Gestaltung leiten. Die brisante und häufig bedrückende Aktualisierung der Bedeutung von Staatsbürgerschaft in den politischen Ereignissen des Jahres 2022 bestätigte auf beklemmende Weise: die existentielle – und geschlechtsspezifische – Dimension der Staatsangehörigkeit im Rahmen der Wehrpflicht; die staatliche Nutzung des Passes als Waffe, um die Souveränität anderer Staaten zu untergraben; den Nutzen von Pässen bei Flucht und Vertreibung; die politische und emotionale Bedeutung des Bekenntnisses zu einer Staatsbürgerschaft im Rahmen gegenwärtiger integrationspolitischer Debatten und Reformvorhaben. All dies lohnt auch das zukünftige Nachdenken über Staatsbürgerschaft, ohne dass diese als historisch ,alternativlos´ hingestellt wird. Das zeigt unter anderem die gewachsene Bedeutung von Menschenrechten, die in Spannung zu staatsbürgerlichen Rechten stehen.”

„Staatsbürgerschaft vs. Weltbürgerschaft” mit den Gästen Seyla Benhabib und Ayelet Shachar

Unter dem Titel „Staatsbürgerschaft vs. Weltbürgerschaft” lädt das Deutsche Historische Museum am Mittwoch, den 11. Januar 2023 um 18.30 Uhr zur letzten Diskussion im Rahmen der vierteiligen Reihe „Staatsbürgerschaft vs. …“ in den Pei-Bau ein. Die an einen partikularen Staat gebundene Staatsbürgerschaft steht im Gegensatz zu einer universalistisch begriffenen Weltbürgerschaft. Spannungen zwischen den beiden Prinzipien brechen auf, wenn die zufällige Zugehörigkeit zu einem Staat qua Geburt die Lebenschancen von Menschen weltweit ungleich bestimmt. Was sind die Vor- und Nachteile eines weltweit dominierenden Prinzips der Staatsbürgerschaft? Was sind demgegenüber die Vorteile und Durchsetzungschancen eines Systems der Weltbürgerschaft? Über diese Fragen spricht Historiker und Ausstellungskurator Dieter Gosewinkel mit Seyla Benhabib, Professorin für Politikwissenschaft und Philosophie an der Yale Universität, und Ayelet Shachar, Professorin für Rechts- und Politikwissenschaften an der University of Toronto.

Der Eintritt ist frei, es sind noch Restplätze verfügbar. Eine Anmeldung ist erforderlich.

Über die Ausstellung:

Dazugehören – oder nicht? Diese Frage löst starke, auch widerstreitende Gefühle aus. Sie kann von existenzieller Bedeutung sein. Die Staatsbürgerschaft bündelt als Gegenstand von Kämpfen um politische Mitbestimmung und staatliche Fürsorge viele dieser Gefühle. Der Pass garantiert den Bürgerinnen und Bürgern eines Staates grundlegende Rechte und verweist darauf, wer „dazugehört“. Als ein Rechtsstatus stiftet die Staatsbürgerschaft nationale und politische Gemeinschaft, aber sie markiert auch einen Vorrang gegenüber denen, die außerhalb dieser Gemeinschaft stehen.

Die Staatsbürgerschaft stieg zur dominanten Form politischer Zugehörigkeit im Zeitalter des Nationalstaats auf, wurde von Diktaturen als Instrument ethnischer und politischer Selektion eingesetzt und nimmt in der Unionsbürgerschaft der supranationalen Europäischen Union neue Gestalt an. Dies zeigt die Ausstellung anhand dreier Länder Europas: Frankreich, Polen und Deutschland. Sie waren und sind als Nachbarstaaten in existentieller Weise durch scharfe Konflikte und enge politische Kooperation miteinander verflochten.