Wallensteins Tod:
Deutsches Historisches Museum erwirbt einzigartige Pilsener Reverse aus dem Dreißigjährigen Krieg
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Am 12. Januar 2025 jährt sich die Unterzeichnung des ersten Pilsener Revers, das als Auslöser für die Ermordung Albrecht von Wallensteins in die deutsche Geschichte eingegangen ist. Das Deutsche Historische Museum hat eine Urkunde des Feldmarschalls Christian Freiherr von Ilow (1585 – 1634) mit Ergebenheitsadresse und Treueschwur an den Generalissimus Albrecht von Wallenstein, die von 47 kaiserlichen Regimentsinhabern und Offizieren unterzeichnet wurde – berühmt als das erste Pilsener Revers vom 12. Januar 1634 – erworben. In dem Zuge konnten zwei weitere bedeutende Urkunden mit Originalhandschriften aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges angekauft werden: das sogenannte zweite Pilsener Revers vom 20. Februar 1634 (eine Urkunde Albrecht von Wallensteins mit Treuebekenntnis an Kaiser Ferdinand II. und Unterschriften von 32 Regimentsinhabern und Offizieren) sowie die sogenannte Vota vom 19. Februar 1634 (ein Protokoll zum sogenannten zweiten Pilsener Revers mit Eidesformeln von 32 Regimentsinhabern und Offizieren der kaiserlichen Armee). Dank der großzügigen Unterstützung seines Museumsvereins konnte das DHM damit drei einzigartige Originaldokumente aus dem 17. Jahrhundert für seine Sammlung sichern. Die Manuskripte werden künftig als nationales Kulturgut erstmals von einer öffentlichen Institution aufbewahrt.
Raphael Gross, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum: „Wir sind unserem Museumsverein zu großem Dank verpflichtet, dass wir diese herausragenden Schriftstücke von nationaler Bedeutung gemeinsam für die Sammlung des DHM ankaufen konnten. Dies ermöglicht uns auch, die dringend notwendige Restaurierung dieser einzigartigen Urkunden durchzuführen, um sie unserem Publikum in bestmöglichem Zustand präsentieren zu können. In unserer künftigen Ständigen Ausstellung über die deutsche Geschichte, die wir derzeit entwickeln, können sie von zentraler Bedeutung für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges werden.“
Ulrich Deppendorf, Vorsitzender des Museumsvereins: „Das berühmte Pilsener Revers befand sich bisher im Privatbesitz. Wir sind stolz darauf, dass es uns – auch dank einer großzügigen Spende der Berliner Sparkasse – gelungen ist, dieses Kulturerbe gemeinsam mit dem DHM für die öffentliche Hand zu sichern. Und das gerade noch rechtzeitig. Dank der fachlichen Expertise des Museums kann nun die dringend notwendige Restaurierung der Schriftstücke beginnen. So bleiben diese Zeugnisse der Geschichte auch den kommenden Generationen erhalten.“
Albrecht von Wallenstein (1583-1634) gilt bis heute als eine besondere historische Persönlichkeit der deutschen und tschechischen Geschichte. Friedrich Schiller widmete ihm eine Dramentrilogie (1799), und das erste Pilsener Revers (oder Pilsener Schluss) vom 12. Januar 1634 – von Schiller „die Verschreibung˝ genannt – ist darin ein wichtiger Fixpunkt. Wallenstein kam aus dem niederen Adel und hatte höchste persönliche Ambitionen, Geschick und Sachverstand. Durch die Unterstützung des österreichischen Kaisers Ferdinand II. gelang ihm ein kometenhafter Aufstieg zu einem der de facto mächtigsten Männer Mitteleuropas. Als Feldherr erfuhr Wallenstein Ruhm und Siege, aber auch Ungnade, Fall und Wiederberufung und verlor sein Leben schließlich durch eigene und mehr noch fremde Untreue und Verrat.
Wallensteins Niedergang ist eng mit dem ersten Pilsener Revers verknüpft: 1633 geriet Wallenstein durch ausweichende Kriegführung und zu eigenmächtige Friedensdiplomatie mit Sachsen, Schweden und Frankreich in Opposition zu seinem Dienstherrn. Als Kaiser Ferdinand II. am Jahresende der Armee einen Winterfeldzug gegen Regensburg sowie die Eskortierung eines spanischen Truppenkontingents nach Holland befahl und gleichzeitig Soldzahlungen zurückhielt, drohte der Generalissimus mit seinem Rücktritt. Diese Drohung besorgte weniger den Kaiser, der seinen Sohn an Wallensteins Stelle setzen wollte, als vielmehr etliche Generäle und Obristen der Armee, die sich als Eigentümer für die Mobilisierung und Ausrüstung ihrer Regimenter teils hoch verschuldet hatten. Sie wollten die Abdankung ihres Feldherrn, mit dem sie kompensierende Kriegsbeute einzubringen hofften, mit aller Macht verhindern. Am Abend des 12. Januars 1634 unterzeichneten 47 ranghohe Wallenstein-Offiziere im böhmischen Pilsen das von Feldmarschall Christian von Ilow aufgesetzte Revers, worin sie Wallenstein und nicht dem Kaiser Treue schworen. Um auch den Truppen das „Verbündnis“ bekannt zu machen, wurden insgesamt fünf gleichlautende Exemplare unterzeichnet. Wien sah in dem Dokument nur zu gern Hochverrat und verhängte die Reichsacht über seinen höchsten Vollmachtsträger. Zwar verfasste Wallenstein noch kurz vor seiner Flucht nach Eger am 20. Februar 1634 ein zweites Revers, wiederum mit zahlreichen Unterschriften hoher Offiziere, und gab sich darin kaisertreu. Doch fast vollständig isoliert, nützte es ihm nicht mehr und so wurde Wallenstein am 25. Februar 1634 von einem kaisertreuen Hauptmann aus den nun zerfallenen, ehemals eigenen Reihen getötet.
Ferdinand II. ließ nach den Exemplaren des ersten Revers fahnden, vier wurden vermutlich vernichtet. Ihr Inhalt war lebensgefährlich: Am 18. Februar 1635 wurde Hans Ulrich von Schaffgotsch, einer der Unterzeichner, hingerichtet. Das fünfte Exemplar des ersten Revers hatte Schaffgotsch zuvor zu den Truppen in Schlesien gebracht. Dieses Exemplar befand sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts in der Schaffgotschen Majoratsbibliothek im niederschlesischen Warmbrunn (heute: Cieplice Śląskie-Zdrój). 1945 floh die Grafenfamilie vor der Roten Armee nach Westen und nahm die wichtigsten Papiere des Hausarchivs mit, darunter auch die beiden Reverse und eine weitere Urkunde Christian von Ilows für Wallenstein. Mit dem Ankauf durch das DHM sind diese nun erstmals in den Bestand eines öffentlichen Museums eingegangen.
Pressebilder aller drei Dokumente finden Sie unter www.dhm.de/presse/