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„Eine Erwerbung aus dem Jahr 1952 - eine Annäherung in Dokumenten“

Eine Bitte aus dem ZK: Die Übernahme von Objekten aus dem Schloss Lieberose durch das Museum für Deutsche Geschichte

Das 1952 durch einen Beschluss des Zentralkomitees (ZK) der SED gegründete Museum für Deutsche Geschichte (MfDG) war das zentrale Geschichtsmuseum der DDR. Weil das Museum von Grund auf neu aufgebaut werden musste, legte das Haus besonders in den ersten Jahren seines Bestehens eine rege Sammeltätigkeit an den Tag. Das MfDG kaufte zum einen Objekte von Privatpersonen und aus dem Kunsthandel an, zum anderen erhielt es dazu auch Unterstützung von staatlichen Institutionen. Neben den Räten der Bezirke, Kreise und Gemeinden der DDR, die dem Museum Objekte zuführten, fungierte auch das ZK der SED selbst mitunter als Einlieferer oder Hinweisgeber.

Ein solcher Übergabevorgang wird hier anhand von Dokumenten dargestellt. Eine wichtige Quelle für die Erforschung der Provenienzen des MfDG sind die Dienstreiseberichte der Abteilung Sammlung bzw. der verschiedenen wissenschaftlichen Abteilungen des Museums. Darin finden sich oftmals Hinweise auf Ankäufe oder Übernahmen, die im Zuge einer Dienstreise getätigt wurden. In einer dieser Akten ist ein Übergabevorgang aus dem Jahr 1952 überliefert, der Objekte aus dem Schloss Lieberose betrifft. Das Schloss war bis 1945 im Eigentum der Familie von Schulenburg und wurde 1945 durch die Bodenreform in der SBZ enteignet – dies ist der Anlass für eine kritische Untersuchung der Objekte.

Christopher Jütte

Inventarbuchseite zu Inv.Nr. D 52/2478 © DHM

1952 wurden in der Dokumentensammlung MfDG unter der Inventarnummer D 52/2478 fünf Papierobjekte inventarisiert. Als Einlieferer ist in diesem Fall ein Hausmeister angegeben, der im Schloss Lieberose tätig war.

Plan de la Place de Corfu avec ses Environs, um 1716 (Inv.Nr. D 52/2478) © DHM

Eines der im Inventarbuch genannten Objekte ist der Plan der 1716 von der Osmanischen Armee belagerten Stadt Korfu.

Johann David Schubert (Zeichner), Daniel Berger (Stecher), Friedrich II. vor der Liegnitzer Schlacht, 1803 (Inv.Nr. D 52/2478) © DHM

Ein zweites Objekt aus dem Konvolut ist ein auf 1803 datierter Kupferstich, der eine Darstellung Friedrichs II. vor der Schlacht bei Liegnitz (1760) zeigt, die sich während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) ereignete.

Edmund Thiele: Wilhelm Pieck bei einer Besprechung mit Otto Winzer und Leo Zuckermann, Februar 1950 (Inv.Nr. F 67/1124) © DHM

Am Anfang des im DHM-Hausarchivs überlieferten Vorgangs, der zur Übergabe der Objekte ans MfDG führte, steht ein Schreiben Leo Zuckermanns (1908-1985) an Otto Winzer (1902-1975). Leo Zuckermann (Mitte) war ab Dezember 1949 bis November 1950 Chef der Präsidialkanzlei des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck (links). Otto Winzer (rechts) war von 1949 bis 1956 Chef der Privatkanzlei Wilhelm Piecks.

Schreiben Leo Zuckermanns an Otto Winzer, 28. Juni 1952 (DHM-HArch MfDG/484.3, Bl. 45) © DHM

In dem Schreiben informierte Zuckermann Winzer darüber, dass sich im Schloss Lieberose wertvolle und historisch relevante Dokumente und Bücher befinden. Besonders die Korfu-Karte wird von Zuckermann als bedeutendes historisches Zeugnis hervorgehoben. Zuckermann bittet Otto Winzer Experten zu beauftragen, um die Objekte zu sichten und zu sichern.

Schreiben Fred Oelßners an Eduard Ullmann vom 4. Juli 1952 (DHM-HArch MfDG/484.3, Bl. 51) © DHM

Über die Präsidialkanzlei gelangte das Schreiben zum ZK der SED. Von dort erging am 4. Juli 1952 ein Schreiben an Eduard Ullmann, den stellvertretenden Direktor des Museums für Deutsche Geschichte. Ullmann wurde in dem Schreiben gebeten, sich der Gegenstände aus Schloss Lieberose anzunehmen. Verfasst hatte das Schreiben Fred Oelßner (1903-1977).

Berufungsurkunde Oelßners in den wissenschaftlichen Rat des MfDG (Inv.Nr. DG 74/39) © DHM

Fred Oelßner war zwischen 1950 und 1958 Mitglied des Politbüros des ZK der SED. Zudem füllte er zwischen 1950 und 1955 die Position des ZK-Sekretärs für Propaganda aus. In dieser Funktion war Oelßner auch dem MfDG eng verbunden. 1952 wurde er durch die DDR-Regierung in den Wissenschaftlichen Rat des Museums berufen.

Schreiben Eduard Ullmanns an den Rat des Kreises Lübben, Abteilung Berufsausbildung vom 7. Juli 1952 (DHM-HArch MfDG/484.3, Bl. 50) © DHM

Eduard Ullmann wandte sich am 7. Juli 1952 in einem Eilbrief an den Rat des Kreises Lübben, Abteilung Berufsausbildung. Die Abteilung Berufsausbildung war für das Schloss zuständig, da in dem Gebäude eine Berufsschule eingerichtet werden sollte. Enteignete Schlösser wurden in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR häufig in ihrer Nutzung umgewidmet, beispielsweise zu Schulen oder Kliniken. Ullmann kündigte in dem Schreiben seinen Besuch an, um sich vor Ort von den für das Museum geeigneten Objekten ein Bild zu machen und diese „sicherzustellen“.

Bescheinigung für MfDG-Mitarbeiter zur Sicherstellung von Objekten aus dem Schloss Lieberose (DHM-HArch MfDG/484.3, Bl. 48) © DHM

Am 17. Juli 1952 verfasste Eduard Ullmann Bescheinigungen für zwei MfDG-Mitarbeiter der Abteilung Sammlung, die die im Schloss Lieberose lagernden Objekte begutachten sollten.

Übergabeprotokoll zwischen dem Rat der Stadt Lieberose und dem Museum für Deutsche Geschichte vom 21. Juli 1952 (DHM-HArch MfDG/484.3, Bl. 46) © DHM

Mit der Unterzeichnung des Übergabeprotokolls durch die Vertreter des Rates des Kreises der Stadt Lübben und des MfDG gingen die benannten Objekte in die Verwaltung des Museums über. Die Beteiligung der Räte der Bezirke, Kreise und Städte der DDR in Erwerbsvorgänge kann auf eine Enteignung der betreffenden Objekte hindeuten, da diesen die Verwaltung entzogenen Eigentums oblag.

Abschrift des Berichts der MfDG-Mitarbeiter von der Dienstreise nach Lieberose vom 23. Juli 1952 (DHM-HArch MfDG/484.3, Bl. 44) © DHM

Den Abschluss des Übernahmevorgangs in den Akten bildet der Dienstreisebericht der beiden entsandten MfDG-Mitarbeiter. Der Bericht wirft auch ein Schlaglicht darauf, auf welche Weise Objekte nach dem Zweiten Weltkrieg in der SBZ und der DDR verlagert worden sein können. So erwähnt der Bericht die Verlagerung von Mobiliar aus dem durch den Krieg beschädigten Schloss durch die Einheimischen sowie die anschließende Verteilung im Ort. Zudem waren im Schloss „Umsiedler“, ein in der SBZ und der DDR angewendeter Euphemismus für Vertriebene, untergebracht, denen Teile der Räumlichkeiten und des Mobiliars zur Nutzung überlassen wurden. Am Schluss profitierte das MfDG von der Verteilung des Inventars, indem es Objekte aus dem Schloss „sicherstellte“.