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Einführung: Nuria Cafaro

Das schrill kreischende Geräusch und die als sich entfernender Lichtpunkt im dunklen Abgrund versinkende Seilfahrt im Bergwerk geben den Grundton für diese lange in Vergessenheit geratene Großtat des italienischen Kinos vor. Unter Drehbuchmitarbeit von Pier Paolo Pasolini und basierend auf einer Kurzgeschichte von Rodolfo Sonego zeigt Luciano Emmer zunächst das Leben italienischer Bergarbeiter in den Niederlanden, bevor er scheinbar das Register wechselt und zwei von ihnen in eine Liebesgeschichte rund um Sexarbeiterinnen in Amsterdam folgt. Gedreht von La dolce vita-Kameramann Otello Martelli wird haptisch greifbar, was es bedeutet, fremd zu sein.

Den italienischen Zensoren war der pessimistische Blick auf die schrecklichen Arbeitsbedingungen zu viel, sie brachten den Film stark gekürzt ins Kino. Der Widerstand gegen ein realistisches Bild des Lebens der emigrierten Arbeiter*innen ist auch deshalb bemerkenswert, da nur vier Jahre zuvor mehr als 130 Italiener*innen bei der Tragödie von Marcinelle ums Leben kamen. Emmer durfte nicht in wirklichen Bergwerken drehen, weshalb er im Amsterdamer Cinetone studio ein riesiges Tunnelsystem nachbauen ließ. „Bis heute verstört Emmers sehr enge Beziehung zum dokumentarischen Filmemachen: wir werden Zeugen eines rohen Films, der mehr ist als bloße Fiktion und sich in eine Erzählung über eine Parallelwelt zur Wohlfahrt nach dem Zweiten Weltkrieg wandelt.“ (Flavia Mazzarino). Erst vierzig Jahre nach der Veröffentlichung des Films wurde die ursprüngliche Fassung wiederhergestellt. (ph)

Nuria Cafaro studierte Geschichte, Philosophie und Bildungswissenschaften, ihre Arbeitsschwerpunkt sind Gewerkschaftsgeschichte und die Migrationsgeschichte von Frauen.

La ragazza in vetrina