Jump directly to the page contents

Einführung: Jan Künemund

 

Die Schauspielerin und Regisseurin Leontine Sagan hatte Christa Winsloes Mädcheninternats-Stoff schon erfolgreich am Theater produziert, als für die filmische Adaption des Stoffes eine Zusammenarbeit der beiden Frauen mit dem erfahrenen Filmpionier Carl Froelich begann. Das Ergebnis, das in keinem Standardwerk über das deutsche Kino fehlt, von Kracauer und Eisner in den höchsten Tönen gelobt wurde, das Eindruck in Hollywood machte und Remakes in Japan, Mexiko und auch in Deutschland initiierte, zirkuliert bis heute in seiner ursprünglichen Form. Seine explizite Visualisierung lesbischen Begehrens ist allerdings erst seit der feministischen Filmrezeption der späten 1970er Jahre ein öffentliches Thema. Die kollektive Schwärmerei für die Lehrerin Fräulein von Bernburg, die allein durch ihre sinnliche Präsenz die von der preußischen Leiterin unter der Prämisse „Hunger, Zucht und Ordnung“ programmierte Mädchenerziehung infrage stellt, lässt nur mehr die Frage offen, welche Art von Liebe es ist, die die Mädchen ihr gegenüber empfinden.

Neben der ausdifferenzierten Repräsentation von Weiblichkeit ist das visuelle Arrangement des Films außergewöhnlich. Die starre, hierarchisch geordnete Welt, in der sich die vertikalen Linien des Stifts bis in die Uniformmuster hinein fortsetzen, werden immer wieder durch plötzliche Tumulte der Mädchen aufgelöst, in denen sich – genau choreografiert – die nicht zum Denken, sondern zum Gehorchen Erzogenen in einen chaotischen Haufen wilder Einzelwesen verwandeln. (jak)