- BRD 1976
- Digital SD
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R: Peter Schulze-Rohr, B: Johannes Hendrich, K: Witold Sobociński, M: Friedrich Scholz, D: Rudolf Brand, Joachim Kemmer, Peter Wagenbreth, Holger Kepich, Claus Jurichs, Eva-Maria Werth, Dagmar Biener, 91’
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Einführung: Jan Gympel
Beim Berliner „S-Bahn-Mörder“, der 1939 bis 1941 sein Unwesen trieb, zahlreiche Frauen in der kriegsbedingt verdunkelten Stadt belästigte, verletzte, vergewaltigte und acht von ihnen tötete, handelte es sich bereits um eine berühmt-berüchtigte Figur, als dieser Fernsehfilm über ihn entstand. Allerdings war in der Allgemeinheit noch relativ wenig Genaues über ihn und seine Taten bekannt.
Hendrich orientierte sich an Gerichtsakten und bemühte sich um eine möglichst sachliche, wahrheitsgemäße Darstellung des Falls. Dabei ging es ihm auch darum, der seinerzeit noch recht weit verbreiteten Auffassung zu begegnen, derartige Kapitalverbrechen habe es unter der NS-Diktatur – wo doch „immerhin Ordnung geherrscht“ habe – nicht gegeben. Ein Irrtum, der auch auf dem zeitgenössischen Umgang mit der Verbrechensserie beruht, dem Versuch der Nazis also, die Morde zwecks Beruhigung der Bevölkerung zu „verdunkeln“, während sie selbst Verbrechen in ganz anderen Dimensionen begingen. Dem Treiben des Triebtäters wurde damit sogar Vorschub geleistet, zumal er als anscheinend vorbildlicher Familienvater, NSDAP- und SA-Mitglied lange Zeit von vornherein als unverdächtig galt.
Obwohl der Film erst um 21.30 Uhr gesendet werden sollte, entschärfte das ZDF einige besonders brutal wirkende Szenen durch Schnitte. Peter Schulze-Rohr, vielbeschäftigter und renommierter Regisseur von Fernsehfilmen, der in Berlin aufgewachsen war und seine Ausbildung unter anderem am Berliner Ensemble erhalten hatte, protestierte gegen dieses Vorgehen und distanzierte sich von dem Ergebnis.
Nichtsdestoweniger fühlte sich Michael Schwarze wie andere Kritiker an Fritz Langs M erinnert: „Es ist auffällig, wie sehr die Kamera bei den Morden auf dem verzerrten Gesicht des Täters verharrt. Nicht die spekulative Beschreibung der Taten steht im Vordergrund, sondern die Psyche des Täters. (...) ‚Verdunkelung’ ist einer der besten Filme in der Dokumentarspielreihe des ZDF.“ (Frankfurter Allgemeine, 2.6.1976) Und Wolfgang Paul lobte: „Die damalige Berliner Szene erscheint authentisch, auch wenn mehr Licht in die Verdunkelung eingebracht wird, als damals zu sehen war. Das mag technische Gründe haben, die Verfinsterung ist nicht mehr im Film nachvollziehbar. Aber es bleibt genug, um diesen gespenstischen Film zu einem der aufrichtigsten Kriminalfilme der Gegenwart zu machen. Der Regisseur Peter Schulze-Rohr brachte mit weniger bekannten Schauspielern diesen Alptraum realistisch nahe.“ (Der Tagesspiegel, 2.6.1976)
Bemerkenswert ist Verdunkelung, der seit Jahrzehnten kaum mehr zu sehen war, auch deshalb, weil es sich um eine der ganz wenigen westlichen Produktionen handelt, bei denen es zu einer Zusammenarbeit mit der DDR-Reichsbahn kam, die damals auch in West-Berlin die S-Bahn betrieb. (gym)