- SEN 1975
- 35mm
- OmeU
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R/B: Ousmane Sembène, K: Georges Caristan, D: Thierno Leye, Myriam Niang, Seune Samb, 120’
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Mit zwei ausführlichen Reihen, die dreieinhalb Monate im Gloria Theater und in den Bali Kinos gastierten, gestaltete sich das Kinoprogramm der 13. documenta 2012 ähnlich üppig wie im Rahmen der 2007er-Vorgängeredition. Die etwas formlos betitelte Sektion „Künstler und Filmemacher“ präsentierte neben Altgediegenem wie Kluge und Straub auch Arbeiten von etwa Albert Serra, Anand Partwadhan und Raya Martin, die teilweise als Deutschlandpremieren liefen. Mit der Auswahl „Verbotenes und populäres Kino“ wurden in Double Features je ein erfolgreicher und ein von Zensur betroffener Film aus dem selben Jahr und Land zusammengebracht.
Besonders bemerkenswert ist dabei das senegalesische Programm, in dem die beiden Werke vom selben Regisseur stammen, Ousmane Sembène, einer der zentralen Protagonisten des Dritten Kinos.
Tatsächlich datieren die beiden Sembène-Arbeiten der Auswahl allerdings nicht ganz auf dasselbe Jahr. Xala reüssierte 1975 im Kino, Ceddo wurde 1976 fertiggestellt und dann direkt von der Zensur kassiert. Als Grund für das Verbot wird häufig die ungeschützt islamkritische Haltung des Films vermutet: Ceddo handelt vom Widerstand der titelgebenden Gruppe gegen den Untergang ihrer traditionellen Lebensweise und muslimische Einflussnahme am Ende des 17. Jahrhunderts.
Offiziell wurden allerdings kulturell aufgeladene orthographische Spitzfindigkeiten ins Feld geführt. Sembène insistierte darauf, dass der Titel entsprechend einer von ihm mitentwickelten Wolof-Transkription mit zwei Ds geschrieben wird, die Regierung unter Präsident Léopold Senghor lehnte jedoch gemäß des von ihr gesprochenen Sereres die Verwendung doppelter Konsonanten strikt ab.
Heute scheint der im zeitgenössischen Polit-Milieu angesiedelte Xala aus Autoritätensicht fast das größere Gegenlektürerisiko zu bergen. Nachdem er seine dritte Frau geheiratet hat, sieht sich ein muslimischer Geschäftsmann und Regierungsminister mit Erektionsstörungen konfrontiert und vermutet, verflucht worden zu sein. Während er verzweifelt nach Heilung sucht, erodiert allmählich sein gesellschaftlich-finanzieller Status.
Die Satire über Impotenz und Verkommenheit der postkolonialen senegalesischen Bourgeoisie hatte 1975 auf dem Internationalen Filmfest Moskau Premiere und kam schon ein Jahr später mit einer ARD-Ausstrahlung ins deutsche Fernsehen. (chl)