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In den Archiven der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Deutschlands liegt ein kaum bekannter Schatz: Spielfilme teils prominenter Regisseure und/oder Drehbuchautoren, die hauptsächlich in den sechziger und siebziger Jahren entstanden, als die Rundfunkanstalten zugleich Übungs- und Experimentierfeld für Nachwuchsfilmemacher waren. Es handelt sich um reine TV-Produktionen, die in aller Regel auch nur im Fernsehen gezeigt wurden, dort allerdings ein Millionenpublikum erreichten. Auf diesen weitgehend vergessenen Teil der deutschen Filmgeschichte möchte die von Jan Gympel initiierte und mitkuratierte Reihe Aus dem Fernseharchiv hinweisen: Monatlich wird ein Fernsehspielfilm aus dem Bestand der Sammlung Fernsehen der Deutschen Kinemathek präsentiert.

Im September zeigen wir den vierten und letzten Teil der kleinen Reihe um den Kölner Hundesteuerinspektor Joseph Völz, die Robert Wolfgang Schnell (1916-1986) in den siebziger Jahren schrieb und deren Hauptfigur er auch selbst verkörperte. Geboren und aufgewachsen in Wuppertal-Barmen, war der Schriftsteller, Graphiker, Maler und Schauspieler 1946 nach Berlin gekommen. Hier gehörte er ab den späten fünfziger Jahren – unter anderem mit der 1959 von ihm mit Günter Bruno Fuchs und Günter Anlauf begründeten Galerie Zinke – zu den Pionieren und wichtigsten Figuren der damaligen Kreuzberger Künstlerszene. Diese war noch klein, sorgte jedoch bereits bundesweit für Aufsehen und legte den Grundstein dafür, dass Kreuzberg von einem armen Arbeiterviertel zu einem Refugium für Künstler und Studenten, Ausgestiegene und Ausgestoßene wurde. Durch die Vielfältigkeit seines Schaffens ist weitgehend in Vergessenheit geraten, dass Schnell auch viel fürs Fernsehen tätig war, vor allem als Drehbuchautor und als Schauspieler.

Im vierten Quartal 2022 folgen dann drei Beispiele dafür, wie um 1970 die „Arbeitswelt“ im Fernsehspielfilm dargestellt wurde. Das weitgehende (und letztlich bis heute andauernde) Desinteresse der fiktionalen bundesdeutschen Bewegtbildproduktion am Arbeitsalltag der „kleinen“ Leute, insbesondere in der Industrie oder auch im Bergbau, wurde damals viel beklagt und zu beenden versucht. Damit wollten, dem Zeitgeist gemäß, vor allem links Gesinnte dazu beitragen, dass sich proletarische Zuschauer ihrer Lage – im Betrieb wie in der Gesellschaft – bewusstwerden und daraus Konsequenzen für ihr weiteres Verhalten ziehen. In unseren Beispielen zeigen allerdings alle drei Autoren – die sich auf eigene Erfahrungen aus der Arbeitswelt berufen –, wie bei den Arbeitenden auch untereinander ein ruppiger, unfreundlicher, nicht selten sogar aggressiver Ton vorherrscht. Statt Klassenbewusstsein und Solidarität dominieren hier Missgunst, Phlegma und Egoismus.

Aus dem Fernseharchiv ist eine Kooperation mit der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen.

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