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„Clown“ soll er einmal als Berufswunsch angegeben haben. Oder wenigstens Schauspieler. Dies erklärt nicht nur, weshalb der Regisseur und Drehbuchautor Ulrich Schamoni in seinen Filmen gerne selbst vor die Kamera trat, sondern auch, wie er sie machte und wie sie aussehen: Arbeiten voller Spielfreude und Experimentierlust, voller Schalk und Ironie, fröhlich Realität und Fiktion vermischend und zugleich von Anfang an die souveräne Beherrschung der filmhandwerklichen Mittel demonstrierend. Ein „Biotop der Frechheit“, wie der Nachruf des ganz anders disponierten Kollegen Volker Schlöndorff auf ihn überschrieben war (Süddeutsche Zeitung, 11.3.1998).

Ulrich Schamoni, der am 9. November 2019 achtzig Jahre alt geworden wäre, zählte zu den Pionieren des Jungen Deutschen Films. Sein Erstling Es avancierte 1966 zum ersten Kassenerfolg des rebellischen Regienachwuchses. Reihenweise sammelte Schamoni damals Bundesfilmpreise ein. Von Kollegen wie Kritikern wurden ihm diese Anerkennungen bald verübelt, zumal auch seine Brüder Peter und Thomas mit ihren Filmen Erfolge feierten. Entnervt zog sich Ulrich Schamoni schon nach anderthalb Jahrzehnten von der Arbeit für das Kino zurück und war zunächst für das Fernsehen tätig. Stets an technischen Innovationen und den Möglichkeiten, die sie eröffnen, interessiert, verlegte sich der Wahl-West-Berliner in den Achtzigerjahren auf die damals neuen Medien: Unter anderem sehr erfolgreich mit dem Radiosender Hundert,6 (dessen konservative politische Ausrichtung ihm neue Feinde einbrachte) und dann rasch ausgebootet beim Fernsehsender IA.

Ulrich Schamoni gehört zu jenen deutschen Filmschöpfern, denen die Branche das Filmemachen verleidete und deren Arbeiten von Filmhistorikern konsequent kleingeredet oder ignoriert wurden. Bezeichnenderweise traf dies in seinem Fall einen unkonventionell denkenden und handelnden Künstler, der den in den Sechzigern groß verkündeten Anspruch, nicht nur anderes Kino, sondern auch anders Kino zu machen, ernstnahm, der etwa einen Spielfilm erst während des Drehs entwickelte oder den Begriff des „Home Movie“ sehr konsequent interpretierte.

Ulrich Schamonis Filme, die im Laufe eines halben Jahrhunderts erstaunlich wenig gealtert sind, sind wiederzuentdecken als einfallsreiche, überraschende, unterhaltsame, gekonnt und leichthändig gemachte, noch immer sehr vitale Vertreter eines jungen deutschen Kinos, das ohne fröhliche Querköpfe wie Ulrich Schamoni bald wieder weitgehend in Schematismus und Langeweile erstarrte. Die Retrospektive, die Ulrich Schamonis Schaffen so umfangreich präsentiert wie nie zuvor, wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds.

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