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Nach 123 Jahren der Teilung erscheint Polen als ein unabhängiger, souveräner Staat 1918 wieder auf der Landkarte Europas: ein außerordentliches politisches Ereignis, das auch das Verlangen nach symbolischen Handlungen weckt, nach Mythen und Erzählungen, die eine nationale Identität und kollektive Erinnerungen stiften könnten. Wenngleich im Konzert der Künste nicht die führende Stimme, reagiert das polnische Kino auf dieses Bedürfnis, und es entstehen im noch jungen Staat Filme, deren Stoffe, Figuren und Geschichten in der polnischen Kulturgeschichte beheimatet sind und die damit auch politischen Forderungen nach „polnischen Themen“ Rechnung tragen. Andererseits sind diese Produktionen der Zwischenkriegszeit, die sich im Kino einer Übermacht ausländischer Filme gegenübersehen, unverkennbar von den europäischen Avantgarden beeinflusst. Konventionelle Elemente und moderne Formen, etwa des Expressionismus oder der Neuen Sachlichkeit, mischen sich in ihnen, weshalb der weitgehend unbekannte polnische Film der 1920er Jahre besonders interessante Entdeckungen bereithält. Die diesjährige Ausgabe der filmPOLSKA-Retrospektive versammelt fünf erst seit Kurzem wieder verfügbare Stummfilme, die diesen Spagat zwischen Tradition und Moderne wagen. Da 95 Prozent der polnischen Stummfilmproduktion als verschollen gelten muss, zählen sie zum wertvollsten Erbe der polnischen Filmgeschichte.

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