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Glühend heißer Stahl, rauchende Schlote und blinkende Schalttafeln; lange Fertigungsbänder mit frisch lackierten Autotüren; mikroskopische Einblicke in chemische Prozesse, die mit bloßem Auge unsichtbar sind; glückliche Arbeiter und Unternehmer, die stolz von den Erfolgen ihres Konzerns berichten. Solche Bilder sind ikonisch geworden, sie haben den Industriefilm in Deutschland geprägt. Die Aufnahmen erzählen von wirtschaftlichem Aufschwung, steigendem Konsum, schöneren Produkten, von Modernisierung, Automatisierung und einer gestiegenen Lebens- und Arbeitsqualität dank technischer Innovation – eine Sprache des Fortschritts in Ost und West.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Industriefilm den wirtschaftlichen Wiederaufbau unter unterschiedlichen ideologischen Vorzeichen in beiden Teilen Deutschlands ins Bild gesetzt. Als auftragsgebundene Filmproduktion folgte er dabei in der Bundesrepublik unternehmerischen Vorgaben, während in der DDR staatliche und betriebliche Interessen zu berücksichtigen waren. Trotz dieser unterschiedlichen Herstellungskontexte versprechen die Filme hier wie dort vor allem eines: Fortschritt, ein besseres Leben und Arbeiten, eine glückliche Zukunft. In der jungen Bundesrepublik sind damit zu allererst Wohlstand, Mobilität und eine stetig wachsende Wirtschaftskraft gemeint, im Osten Deutschlands vor allem das Ausrufen ökonomischer Programme und die Gründung sozialistischer Großbetriebe, die auch den sozialen und persönlichen Aufstieg ihrer Arbeiter im Blick behalten.

Mit der zunehmenden Technisierung der Arbeitswelt und einem sich entwickelnden Bewusstsein für die ökologischen Folgen umweltschädlicher Technologien ändern sich ab den 1960er Jahren auch die Vorstellungen von Qualität, Fortschritt und Modernität, die die Industriefilme propagieren. Sie tragen einem sich wandelnden Image der Konzerne und Betriebe Rechnung, die Fortschritt neu definieren und etwa im Westen ethische Aspekte in die Leitbilder ihrer automatisierten, von Robotern gesteuerten Arbeitswelten integrieren.

Fortschritt als Versprechen. Unter diesem Motto vereint die Retrospektive Industriefilme aus West- und Ostdeutschland, die für Unternehmen und Betriebe aus dem Bergbau, der Eisen-, Stahl- und Automobilindustrie sowie der Chemischen und Optischen Industrie geschaffen wurden. Sie ist in Zusammenarbeit mit Film- und Zeithistorikern entstanden, die ausgewählte Programme kuratiert haben. Wir danken Ralf Forster (Von schweren Anfängen und einem Alltag der Rekorde: Die DDR-Stahlindustrie im Film; Alles für die Kohle: DDR-Industriefilme über die Energiegewinnung; Verschleppte Motorisierung: DDR-Filme rund um das Auto; Chemie in Aktion: Betriebe und Produkte im DDR-Industriefilm; Leben aufzeichnen, Wissen vermitteln, Kommunikation verbessern: Industriefilme bewerben Fotografie, Film und Magnetband; Zeiss für die Welt: Industriefilme aus Jena und Oberkochen), Jeanpaul Goergen (Werkstatt für Europa – Feuer an der Ruhr; Die stählerne Spur: Bilder der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie; Formenspiele: Avantgardistische Ansätze im Industriefilm der Bundesrepublik; Schöpfung ohne Ende), Günter Riederer (Handwerker, Techniker, Facharbeiter: Automatisierung in den Unternehmensfilmen von Volkswagen) und Florian Wüst (Unterm Mikroskop: Chemie im Alltag, Synthese des Fortschritts: Mensch und Automation).

Die Filmreihe begleitet die Ausstellung Fortschritt als Versprechen. Industriefotografie im geteilten Deutschland, die vom 10. Februar bis 29. Mai 2023 im Deutschen Historischen Museum im Rahmen des EMOP – European Month of Photography zu sehen ist.

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