Glück auf!
Bergbau im deutschen Film
Einer der frühesten Filme überhaupt zeigt Arbeiter, die eine Fabrik verlassen. Wäre das Medium nicht so lichtabhängig, hätten diese Arbeiter aus sozialgeschichtlicher Perspektive Ende des 19. Jahrhunderts genauso gut in einen Kohleschacht hinabfahren können. Wichtig für das Kino sind die Arbeiter, auf deren Seite sich die deutschen Bergbaufilme dieser Reihe bedingungslos stellen. Mit ihren Helmen und verdreckten Händen, dem rauen Ton und der versteckten Melancholie und Angst in ihren aus dem Dunkeln blitzenden Augen verwandeln die Protagonisten jede Geste in ein humanistisches Aufbegehren. Wem aber gehören diese von Staat und Wirtschaft geschundenen Körper, die sich jahrzehntelang schwersten Bedingungen ausgesetzt sahen, um unter Tage nach dem Wohlstand zu graben, der sich für sie nie einstellte?
Die Filmreihe Glück auf! Bergbau im deutschen Film hangelt sich entlang einiger Glanzlichter des deutschen Bergarbeiterfilms von den 1920er Jahren bis zur Gegenwart, um sich mit Fragen beruflicher Identität und sozialer Ungerechtigkeit auseinanderzusetzen. Die Protagonisten kommen aus verschiedenen Ländern und Regionen und gehören unterschiedlichen Geschlechtern an, sind aber vereinigt durch eine „Kumpel ist Kumpel“-Mentalität, die Solidarität über Verschiedenheiten stellt. Dabei schwingt ein den einzelnen Menschen übersteigender Konflikt mit. Es ist der Konflikt zwischen gesellschaftlichem Streben nach Fortschritt und der dadurch zerstörten Natur. An diesem meist aus der Vogelperspektive bebilderten Widerstreit hängt nicht weniger als die Zukunft unseres Planeten.
Am Bergbau entzünden sich politische Debatten, die seit jeher weit über die Schließung einzelner Werke oder das Ende bestimmter Formen der Energiegewinnung hinausgehen. Der Bergbau hat auch Narrative geschaffen, die das kulturelle Gedächtnis prägen. Das zeigt sich beispielsweise am eigenen Vokabular der Bergleute, an Liedern, die über Generationen weitergegeben werden, und an den Langzeitschäden des Bergbaus für Mensch und Umwelt. Viele Filme arbeiten daher mit Gegenpolen, um der Komplexität der mit dem Bergbau assoziierten Konflikte gerecht zu werden: Kollektiv und Individuum, Sozialismus und Kapitalismus, Industrialisierung und Natur, Maschine und Mensch, Kalkulation und Katastrophe.
Die zwei Zentren des deutschen Bergbaus befinden sich an den Rändern des Landes: das Erzgebirge im Osten und das Ruhrgebiet im Westen, Erz und Kohle, mattglänzende Versprechen einer nie eingetretenen Zukunft. Aus dieser geschichtlichen Realität entwachsen zwei parallele Linien des Bergbaufilms in Deutschland: Die erste knüpft den Aufbau der DDR eng an die Produktivität der Bergwerke und versteht die kollektive Arbeit als Notwendigkeit eines größeren historischen Prozesses. In der Bundesrepublik ist eine zweite Entwicklungslinie erkennbar: Sie konzentriert sich mehr auf die ökonomischen Bedingungen, in denen die Arbeiter überleben müssen. Über diese Widersprüche hinaus offenbaren sich große Gemeinsamkeiten in den Bildern von Arbeit und Erholung, Sehnsüchten und seelischen Abgründen aus Ost und West.
Der düstere Grundton soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Filme und ihre Protagonisten beständig Widerstand leisten gegen Formen der Unterdrückung und Ausbeutung. In diesem Sinn fragt die Filmreihe auch, ob sich die marxistischen und humanistischen Lektionen der Vergangenheit in die Gegenwart mit ihren nur scheinbar abstrakteren Konflikten übertragen lassen.
„Glück auf!“ all jenen, die sich mit dem Kino in jene Dunkelheit begeben, in der stets ein Licht flackert.
Kurator der Filmreihe ist der Schriftsteller und Filmkritiker Patrick Holzapfel. Er arbeitet unter anderem als Chefredakteur des von ihm gegründeten Blogs und Printhefts Jugend ohne Film.