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Ein Œuvre, in dessen Entstehung sich die Geschichten und Geschichte der DEFA zu spiegeln scheinen. 1950, ein Jahr nach Gründung der DDR, vier Jahre nach Gründung der DEFA, wird der 21-jährige Heiner Carow in die Regieklasse des DEFA-Nachwuchsstudios aufgenommen. Schon nach einem Jahr Ausbildung wechselt er ins Studio für populärwissenschaftliche Filme, wo unter seiner Regie bis 1956 kurze dokumentarische Arbeiten entstehen. Carows letzte Produktion im Studio für populärwissenschaftliche Filme bedient sich inszenatorischer Mittel, Martins Tagebuch – das Porträt eines Jugendlichen, seiner Träume und Wünsche – wird auf der II. Leipziger Dokumentarfilmwoche ausgezeichnet und das DEFA-Studio für Spielfilme wird auf den jungen Regisseur aufmerksam. Bis zum Ende der DEFA arbeitet Carow für das Studio. Mit Sheriff Teddy inszeniert er 1958 den ersten einer ganzen Reihe von Kinder- und Jugendfilmen. Sein Interesse gilt bevorzugt Jungen, die den Ansprüchen Älterer, den Erwartungen und Anforderungen der Gesellschaft ausgesetzt sind und dabei in Grenzsituationen geraten. Die Filme Carows verhandeln meist harte, massive Konflikte, erzählen immer wieder von Verrat, Ernüchterung und Vereinsamung.

Carows Filmschaffen ist gegen Zugeständnisse an ideologische Leitbilder nicht gefeit, die kritische Auseinandersetzung mit diesen Erfahrungen kennzeichnet jedoch auch sein Arbeitsethos. Mit Die Russen kommen und Die Legende von Paul und Paula entstehen Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre zwei der schönsten DEFA-Produktionen: hybride, spröde, kraftvolle Kunstwerke, in denen Reales und Vorgestelltes, Naturalistisches und Überzeichnetes, Ernstes und Komisches, Gefühl und Effekt unmittelbar aufeinander treffen.

Heterogen und spannungsgeladen verläuft auch Carows Karriere. Publikumserfolge und Auszeichnungen stehen neben Zensur, Verbot und der Blockierung langjährig vorbereiteter Projekte. Als die Mauer fällt, sein erkämpfter Film Coming out Premiere feiert und die DDR  untergeht, hätte die Zeit der Umsetzung einst verhinderter Kinoprojekte kommen oder Carows Wunsch in Erfüllung gehen können, von den gesellschaftlichen Verwerfungen der Gegenwart und den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts zu erzählen. Dazu ist es im wiedervereinten Deutschland nicht gekommen, unter den neuen gesellschaftlichen und marktwirtschaftlichen Bedingungen fehlte es an wagemutigen Produzenten und Förderern. So bleibt das Filmschaffen Heiner Carows, der am 31. Januar 1997 verstarb, über vier Jahrzehnte vor allem mit der Geschichte der DEFA verknüpft, mit ihren ästhetischen Wagnissen und Erfolgen ebenso mit ihren Widrigkeiten und Beschränkungen.

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