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Ihre Romane haben das Bild der Neuen Frau geprägt und den Zeitgeist ihrer Epoche eingefangen. Dass Vicki Baum, eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller*innen des 20. Jahrhunderts, jahrzehntelang in Europa und Amerika für den Film arbeitete, ist hingegen weniger bekannt. Nicht nur wurden ihre Werke regelmäßig und oft mehrfach verfilmt, Baum war darüber hinaus direkt an mehreren Filmproduktionen beteiligt, adaptierte ihre Werke teilweise selbst oder schrieb in Hollywood an Drehbüchern. Doch schützte sie ihr Erfolg nicht vor Missgunst und Ressentiments. So sah sich die Bestsellerautorin immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, bloß Unterhaltungsliteratur zu schreiben, Triviales und Kolportagehaftes, Kitsch und Sentimentalität. Baum reagierte selbstbewusst. Ihr literarisches Schreiben verstand sie auch als eine anspruchsvolle handwerkliche Fertigkeit, ihre Leser*innen als ein Publikum mit eigenem Urteilsvermögen. Damit ist Vicki Baum die Vertreterin einer neuen erfolgreichen Unterhaltungs- und Populärkultur, die sich Fremdzuschreibungen widersetzt, genau wie das Kino, das sich zu derselben Zeit ähnlichen Vorurteilen ausgesetzt sah.

Geboren 1888 in eine jüdische Familie in Wien, absolviert Baum am Konservatorium eine Ausbildung zur Harfenistin. Der literarische Durchbruch gelingt ihr ab 1926, als sie mit ihrer Familie nach Berlin zieht. Dort arbeitet sie exklusiv für den Ullstein-Verlag als Redakteurin und veröffentlicht jährlich Romane, von denen viele Verkaufserfolge werden. Zu den Marketingstrategien ihres Verlages gehören auch Verfilmungen ihrer Werke, die Ullstein nicht in Konkurrenz zur Literatur, sondern als verkaufsfördernd begreift. Die Hollywood-Adaption von Menschen in Hotel führt Baum 1931 schließlich in die USA, wohin sie im nächsten Jahr dauerhaft emigriert, kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland, wo ihre Bücher wenig später verbrannt werden. In ihrer neuen Heimat arbeitet Baum weiterhin als Schriftstellerin und bis 1937 für das Studio MGM, für das sie Drehbücher schreibt und Handlungsskizzen entwirft. Seit 1938 US-amerikanische Staatsbürgerin erscheinen ihre Romane fortan in englischer Sprache. Sie stirbt 1960 in Los Angeles.

Die Retrospektive Keine Angst vor Kitsch und Kino. Die Filme der Vicki Baum zeichnet den Einfluss der Schriftstellerin auf das Kino nach und lädt zu einer Passage durch die internationale Filmgeschichte ein. Sie orientiert sich an Schwerpunkten des Œuvres von Vicki Baum. Ein erster Fokus liegt auf den Adaptionen ihrer drei Hotel-Romane Menschen im Hotel (1939), Hotel Shanghai (1937) und Hotel Berlin (1943), die zugleich Milieustudien und Gesellschaftssatiren sind. Bemerkenswert sind weiterhin Baums Frauenfiguren, die, wenngleich von der feministischen Rezeption ambivalent bewertet, ungewöhnlich komplex und widersprüchlich ausfallen. Schließlich verhandeln Baums Romane und Filme die Grenze, die Kunst und Unterhaltung zu trennen scheint. Sie erzählen von Künstler*innen und spielen auf Bühnen, auf denen Ballett- und Revuetänzerinnen gleichermaßen präsent sind. (Eh-Jae Kim und Max Grenz)