Lachende Erben: Lustspiele 1930-1933
Dass Deutschland oder die Deutschen ein Problem mit dem Humor haben, dürfte zu jenen Aussagen gehören, die weder falsch noch richtig sind – sondern deren Wahrheitsgehalt ausschließlich von der Perspektive abhängt, die man wählt. Das Zeughauskino wagt ab Februar 2016 ein Experiment und widmet die mehrteilige Filmreihe Lachende Erben den diversen Spielarten des Komischen in der deutschen Filmgeschichte. Lachende Erben möchte keinen Kanon der deutschen Kinokomödie etablieren oder gar einen „spezifisch deutschen“ Humor dingfest machen. Es geht nicht um die Greatest Hits, eher um eine freihändige Spurensuche an den Rändern, einen neugierigen Streifzug durch die leichtfüßigeren Gestade der Filmgeschichte, von der Stummfilmzeit bis in die Gegenwart. Eine Intuition, von der wir uns unterwegs leiten lassen, ist, dass das Komische stets einen Hang zum Unreinen, zur Grenzüberschreitung hat; und deshalb auch die Unterscheidung zwischen Populärem und Hochkultur, zwischen „Gebrauchskino“ und Autorenfilm freudvoll hinter sich lässt.
Das erste Kapitel widmet sich der frühen Tonfilmkomödie, beziehungsweise, gemäß einer zeitgenössischen Bezeichnung, dem Lustspiel. Wenn man das Kino der Weimarer Republik mit Siegried Kracauer als eine Passage „Von Caligari zu Hitler” beschreiben kann, dann suchen die Filme, die unsere Reihe versammelt, einen Um- oder gar einen temporären Ausweg. Für wenige Jahre dominierte in den Lichtspielhäusern ein Tonfall, der sich vom expressionistischen Weltschmerz nicht deutlicher abheben könnte: Das deutsche Kino durfte sich plötzlich aus ganzem Herzen albern, lustbetont, enthemmt geben – ein Gestus, der umso mehr begeistert, als fast alle Filme auch von der rauen Wirklichkeit der Weltwirtschaftskrise erzählen, von Geldnöten, Arbeitslosigkeit und Existenzsorgen.
Wie fast überall auf der Welt setzte sich der Tonfilm auch in Deutschland innerhalb weniger Jahre nach seiner Erfindung auf ganzer Linie durch. Zu den zentralen Publikumsmagneten entwickelten sich das Musical, beziehungsweise dessen deutsche Spielart, der Operettenfilm – und die Tonfilmkomödie. Ein Grund für die kurze, aber intensive Hochphase des Komischen dürfte darin zu suchen sein, dass die blühende Kabarett- und Revueszene der 1920er Jahre in den neu entstehenden Lustspielen eine natürliche Fortsetzung fand. In der Tonfilmkomödie feiert sich ein letztes Mal die urbane, weltgewandte, hedonistische Moderne der Weimarer Republik. Tatsächlich bleibt in den Filmen, die unsere Reihe versammelt, kein Stein auf dem anderen. Es wimmelt nur so von falschen Gräfinnen und entspannt in den Tag hinein lebenden Herumtreibern; Autoritätsfiguren aller Art werden dagegen der Lächerlichkeit preisgegeben, soziale, geschlechtliche und sexuelle Identitäten verflüssigen sich.
Wie kein anderes Genre der Zeit war die frühe Tonfilmkomödie vom Wirken zahlloser jüdischer Regisseure, Autoren, Schauspielerinnen und Schauspieler geprägt. Nicht zuletzt deshalb lässt sich der tiefe Einschnitt, den die Machtübernahme der Nationalsozialisten auch für das deutsche Kino bedeutete, an keinem Genre so eindrücklich belegen wie an der Komödie. Lediglich einige wenige jüdische Künstler des Komischen wie Reinhold Schünzel konnten ihre Karriere nach 1933 noch kurzfristig fortsetzen – die meisten anderen suchten ihr Glück im Exil oder starben, falls die Flucht nicht gelang, in den Konzentrationslagern. Insofern präsentiert das erste Kapitel von Lachende Erben auch ein zentrales Stück deutsch-jüdischer Filmgeschichte.
Wir danken Rolf Aurich für seine Mitarbeit an dieser Reihe.