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Die Neue Münchner Gruppe stellte zwischen 1964 und 1972 eine der interessantesten Strömungen im westdeutschen Kino dar, nicht zuletzt weil sie gegen den Hauptfluss, gegen die Filme, die die Filmgeschichtsschreibung gemeinhin als das „junge deutsche Kino“ bezeichnet, geschwommen ist. Diese Bezeichnung der sogenannten „Oberhausener“ – und in den Siebzigerjahren dann auch des „Neuen Deutschen Kinos“ – fand nicht zuletzt auf Kosten der Neuen Münchner Gruppe statt. Denn nach einigen kommerziell erfolgreichen Filmen (Zur Sache Schätzchen; Nicht fummeln, Liebling) und nach kritischem Beifall – vor allem von Kritiker*innen, die in der Filmkritik der späten Sechzigerjahre sich als „ästhetische Linke“ gegen eine „politische Linke“ positionierten, die ihrer Meinung nach Filme auf deren soziologische Inhalte und Bedeutungen reduzierte – sind die charmanten, „leichten“ Filme von Rudolf Thome, Klaus Lemke, Max Zihlmann, Roger Fritz, des Duos May Spils & Werner Enke sowie des Jüngsten der Gruppe, Martin Müller, trotz der einen oder anderen Retrospektive aus der Filmgeschichtsschreibung und auch dem breiteren öffentlichen Bewusstsein gefallen.

Die von Marco Abel kuratierte Retrospektive Mit Nonchalance am Abgrund lädt dazu ein, nicht nur zahlreiche Filme der Neuen Münchner Gruppe (noch einmal) zu sichten, sie fordert auch dazu auf, anders über sie nachzudenken und die Bedeutung dieser Gruppe gerade auch darin zu suchen, dass sie symptomatisch etwas Wichtiges über die deutsche Filmkultur aufzeigt. Denn dass die „ästhetische Linke“ auf der Ebene der filmkritischen Praxis den „Kampf“ gegen die „politische Linke“ verloren hat, hatte zur Folge, dass unter anderem die Filme der Neuen Münchner Gruppe in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren nicht nur nicht als „links“ wahrgenommen wurden bzw. wahrgenommen werden konnten, sondern auch, dass sie fast notwendigerweise aus der deutschen Filmgeschichte ausradiert wurden, weil die Geschichte des deutschen Films nach '68 eine wurde, die von der siegreichen „politischen Linken“ geschrieben worden ist – ein Phänomen, das bis heute Konsequenzen hat.

Bei den Filmen hervorzuheben ist, dass sie sich für den Affekt der Gleichgültigkeit, der Nonchalance interessieren und diesen als eine ästhetische Haltung darstellen, der als solcher eine linke Attitüde verkörpert, die sowohl von der „politischen Linken“ kritisiert wurde als auch die aufkommenden sozialen Veränderungen auf überraschende Art und Weise gleichzeitig aufnimmt und einer kritischen Betrachtung preisgibt: dem (neoliberalen) Abgrund, der damals erst im Prozess war, sich aufzutun (und der von der „politischen Linken“ der Zeit verkannt wurde), ins sprichwörtliche Auge zu schauen und trotzdem gelassen zu bleiben – das ist die große und bis heute nicht erkannte Kunst dieser „kleinen“ Filme.

Mit Nonchalance am Abgrund bietet die Möglichkeit, die Filme der Neuen Münchner Gruppe durch eine etwas andere analytische Linse zu entdecken. Vielleicht ist es möglich, sie nach all den Jahren noch einmal mit neuen oder (in Anlehnung an Enno Patalas, der die Begriffe der „Neuen Münchner Gruppe“ und der „ästhetischen Linken“ geprägt hat) lebendigen Augen zu betrachten und – wer weiß? – sie so nicht nur zurück in die (deutsche) Filmgeschichte zu schreiben, sondern ihren Platz als wichtige Strömung des deutschen Kinos um 1968 durch eine revisionistische Betrachtungsweise auch produktiv neu zu verorten. (Marco Abel)

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