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In einer Welt, in der die Lieferwege von Kohle, Erz, Lithium oder Kupfer längst sämtliche Kontinente überspannen, wäre es nicht ausreichend, Geschichte und Gegenwart des Bergbaus auf deutsche Perspektiven zu beschränken. Deshalb widmet sich nach der 2023 präsentierten Retrospektive Glück auf! Bergbau im deutschen Film die Reihe Schlagende Wetter verschiedenen Zugängen des internationalen Kinos zur Bergarbeit.

Zu sehen sind Filme aus unterschiedlichen Kulturen, die sozial-politische Brandherde fokussieren und zu Bergwerken in China, Jugoslawien, Großbritannien, Belgien, den USA und Bolivien führen. Dabei offenbaren sich über verschiedene politische Systeme hinweg, egal ob im Sozialismus, Kapitalismus oder in bis heute wirkenden kolonialistischen Strukturen, mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Die Filme zeigen den Bergbau als extreme Form der Ausbeutung, die abertausenden Menschen das Leben kostete, und finden in den Arbeiter*innen lebende Monumente menschlicher Widerstandsfähigkeit. Ihre Protagonist*innen sind die, die sonst keine Stimme haben: sich betrinkende Arbeitslose in Walang alaala ang mag paru-paro (Butterflies Have No Memories) von Lav Diaz, entfremdete „Gastarbeiter*innen“ in Déjà s'envole la fleur maigre von Paul Meyer, politisch instrumentalisierte Arbeiterheld*innen in Slike iz života udarnika (Life of a Shock Force Worker) von Bahrudin Čengić und sich wehrende Bergarbeiterfrauen in Salt of the Earth von Herbert J. Biberman.

In Totalen wird greifbar, wie Landschaften zerstört werden, in Nahaufnahmen sieht man die Narben auf Körpern und in der Seele der Arbeiter*innen. Es sind düstere Filme, die versuchen, die Finsternis der Stollen und die Schwärze des Rußes greifbar zu machen. Was bedeutet es, unter Tage zu malochen? Wie wehren sich Menschen gegen Unterdrückung? Gleichzeitig zeigt sich, wie sich aus der Bergarbeit gemeinschaftliche kulturelle Praxen formen und was es bedeutet, wenn diese den Menschen weggenommen werden. Statt es den politischen Argumenten gleichzutun, die beim Thema Energiewende oft Mensch und Natur gegeneinander aufwiegen, zeigen Filme wie Behemoth von Zhao Liang oder Vörös föld (Red Earth) von László Vitézy, dass das eine nicht vom anderen zu trennen ist.

Solidarität durch das Zeigen, Erzählen, Dokumentieren und Zuhören ist die große Kraft des Kinos. Was den Filmemacher*innen bleibt, ist Zärtlichkeit, wo sonst Härte regiert. Die Bilder ausgemergelter Gesichter in How Green Was My Valley von John Ford oder die sichtbare Angst der Bergleute vor der ersten Fahrt in die Tiefe in La ragazza in vetrina von Luciano Emmer oder die sich furchtlos ins Streikgetümmel werfende Kamera Barbara Kopples in Harlan County, USA. sind nur einige Beispiele dieser humanistischen Dringlichkeit im Angesicht schreiender Ungerechtigkeit. Which Side Are You On? lautet der Titel eines der berühmtesten Protestlieder von Bergarbeiter*innen, und die Filme zeigen, dass Parteilichkeit nicht immer eine Frage fehlender Ausgewogenheit ist, manchmal ist sie menschliche Pflicht. (Patrick Holzapfel)

Die von Patrick Holzapfel kuratierte Reihe wird vom Hauptstadtkulturfonds gefördert.

Partner Schlagende Wetter