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Nirgendwo wird derzeit die Rede vom Bedeutungsverlust des Kinos so eindrücklich widerlegt wie in China: Woche für Woche werden an die 100 neue Säle eingeweiht. Glaubt man den Prognosen, könnte der Umsatz des chinesischen Marktes schon 2018 den des bislang größten, des US-amerikanischen, übertreffen. Die von The Canine Condition kuratierte Filmreihe Sehnsucht nach dem Regen geht von der Ahnung aus, dass der aktuelle chinesische Kinoboom kein rein kommerzielles Phänomen ist, sondern dass das Kino das zentrale Medium der Modernisierung der vielleicht bald größten Volkswirtschaft der Welt geworden ist – weil es wie keine andere Kunstform geeignet ist, Bilder bereitzustellen, die diese Modernisierung gesellschaftlich vermitteln, ihr eine Bedeutung geben, die individuelles Schicksal und kollektive Erfahrung verbindet. Sehnsucht nach dem Regen stellt eine ausdifferenzierte Produktionslandschaft vor: Genre- oder Autorenfilme; mit winzigen oder riesigen Produktionsetats; dem Zensor gehorchend oder zuwiderhandelnd; für heimische oder internationale Abnehmer; aus Hongkong oder Beijing – oder aus den immer selbstbewusster auftretenden Peripherien des riesigen Landes. Das neue chinesische Kino fügt sich zu keiner kohärenten Nationalkinematografie. Auch deshalb erreicht es Deutschland, auf spezialisierten Festivals und vereinzelt im Programmkinobetrieb, zumeist als beziehungslose Ansammlung von Nischenprodukten.

Die Reihe Sehnsucht nach dem Regen will nicht ganz machen, was in Wirklichkeit vielgestaltig und in sich gebrochen ist. Die 25 ausgewählten Filme haben auf den ersten Blick oft nicht mehr gemein, als dass sie alle in den letzten sechs Jahren in China entstanden sind. Zusammen, als Passage durch das chinesische Filmschaffen der Gegenwart, stellen sie den Versuch dar, Ungleichartiges in Beziehung zu setzen. Kein Ganzes soll dabei greifbar werden, sondern verborgene Wechselseitigkeiten und Korrespondenzen, auch und gerade zwischen solchen filmischen Produktionsformen und Sprechweisen, die dem Anschein nach wenig miteinander zu tun haben. Die Verlockung ist groß, sich von Filmen Auskunft über ihre Herkunftsländer zu versprechen. Wenn das neue chinesische Kino überhaupt einen Wesenszug des neuen China anschaulich machen kann, dann ist das dessen zunehmende Pluralisierung.

Die Retrospektive Sehnsucht nach dem Regen wird vom Hauptstadtkulturfonds gefördert.

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