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Edward Yang ist als einer der zentralen Vertreter des Taiwan New Cinema untrennbar mit der in den 1980er Jahren einsetzenden ästhetischen Erneuerung des taiwanischen Kinos verbunden. Seine Filme spiegeln die spezifisch taiwanische Erfahrung von Exil, Autoritarismus und Liberalisierung sowie die Diskrepanz zwischen konfuzianischer Tradition und westlich orientierter Moderne. Dabei ist Yang ein Filmemacher der Großstadt und Taipeh die Leinwand, auf der er seine epischen, verschachtelten und vielfach gebrochenen Erzählungen entwirft. Die formale Kraft und Modernität seiner Filme haben Taiwan zu einem der aufregendsten Orte des Weltkinos gemacht. Bis heute üben Yangs Arbeiten großen Einfluss auf andere Filmemacher aus.

Geboren wird Edward Yang am 6. November 1947 in Shanghai, er wächst aber in Taipeh auf, wohin seine Eltern mit dem Ende des chinesischen Bürgerkrieges 1949 auswandern. Trotz seines frühen Interesses für Comics und Filme studiert Yang Elektrotechnik, zunächst in Taiwan, später in den USA. Seiner Leidenschaft folgend, beginnt Yang anschließend ein Filmstudium in Los Angeles an der renommierten University of Southern California. Doch schon nach dem ersten Semester bricht er die Ausbildung entmutigt ab, weil sie sich aus seiner Sicht zu sehr am Mainstream orientiert. Yang arbeitet fortan in Seattle in einem Forschungslabor der IT-Branche.

Die Begegnung mit Werner Herzogs Aguirre, der Zorn Gottes entfacht Yangs Begeisterung für das Kino erneut. Im Selbststudium lernt er Klassiker des europäischen und internationalen Films kennen und entwickelt Ideen und Inszenierungskonzepte für eigene Filme. Nach seiner Rückkehr nach Taiwan im Jahr 1980 schreibt Yang das Drehbuch für den von Yu Wei-Cheng inszenierten und unabhängig finanzierten Historienfilm The Winter of 1905. Beim Fernseh-Zweiteiler Floating Weeds führt er erstmals Regie. Der Omnibus-Film In Our Time entsteht in Zusammenarbeit mit drei anderen aufstrebenden Regisseuren und läutet die Erneuerung des taiwanischen Kinos mit ein, die im Zuge der politischen Liberalisierung nach dem Tod des autoritär herrschenden Generalissimus Chiang Kai-sheks einsetzt. Taiwanische Filme stehen fortan nicht mehr unter dem Vorzeichen derjenigen konservativen Werte, die die herrschende Partei glorifizieren wollte. Stattdessen sind erstmals ungeschönte, lebensnahe Alltagsbetrachtungen und genaue Studien der taiwanischen Geschichte, Gegenwart und Sozialstruktur möglich. In präzise komponierten Bildern erzählt Edward Yang bis zu seinem Tod im Jahr 2007 von der Realität Taiwans und dem Leben in der sich rasch wandelnden Metropole Taipeh. (Jendrik Walendy)

Die von Jendrik Walendy kuratierte Retrospektive Taipei Stories – Die Filme von Edward Yang wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds und vom Kulturministerium Taiwan im Rahmen des Projekts Spotlight Taiwan. Kooperationspartner sind das Taiwan Film and Audiovisual Institute und Kailidoscope Pictures.

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