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Abgründe

Abgründe: Robert BRD 1967, R: Peter Lilienthal, B: Stanley Ellin, Peter Lilienthal, Peter Schneider, K: Gerard Vandenberg, D: Else Quecke, Thomas Rosengarten, Peter Hirche, Renate Gerhardt, Ladislaus Somo, Martin Rosen, Nina von Porembski, 35’ · File Abgründe: Claire BRD 1967, R: Peter Lilienthal, B: Patrick Quentin, George Moorse, Peter Lilienthal, K: Gerard Vandenberg, M: David Llywelyn, D: Boy Gobert, Elfriede Irrall, Sigrid Johanson (d.i. Sigrid von Richthofen), Rolf Zacher, Jan Andreff, 45’ · File SO 08.10. um 20.30 Uhr + MI 11.10. um 20 Uhr · Einführung: Jan Gympel Während er später vor allem mit politisch engagierten Filmen – oft über faschistische Regime, insbesondere in Lateinamerika – bekannt wurde, hatte der 1929 geborene Peter Lilienthal in den sechziger Jahren einen ganz anderen Ruf: Als hoch gelobter Schöpfer zahlreicher avantgardistischer, oft kafkaesk wirkender Fernsehfilme und damit „als der konsequenteste, ja bislang einzige Filmautor, den das deutsche Fernsehen hervorgebracht hat“ (Peter W. Jansen, Die Zeit, 2.2.1968). Andernorts wurde gar konstatiert: „Von den jungen deutschen Regisseuren formuliert niemand so nachdrücklich und bestürzend das Lebensgefühl unserer Zeit wie Peter Lilienthal.“ (A.P., Echo der Zeit, 3.12.1967) Und Uwe Nettelbeck orakelte im Hinblick auf Lilienthals TV-Arbeiten: „Es ist so unwahrscheinlich nicht, daß man einmal wird sagen müssen, alles, was in den sechziger Jahren im deutschen Film passiert ist, habe im Fernsehen stattgefunden.“ (Die Zeit, 26.3.1965) Im Oktober 1967 erlebten zwei kürzere Lilienthal-Filme im Doppelpack ihre Ursendung im ersten Fernsehprogramm: Robert erzählt von einem Zwölfjährigen, Externer eines Knabeninternats, der seine Klassenlehrerin – ein redliches, verständnisvolles Fräulein, das kurz vor der Pensionierung steht – mit ebenso naiver wie subtiler Boshaftigkeit aus der Fassung bringt. Während der Junge sein Psychospiel nur zum Vergnügen zu treiben scheint, hat die Titelfigur von Claire handfeste Gründe für ihr Vorgehen: Ihr auf die Mutter fixierter, auch körperlich nicht ganz gesunder Sohn droht sich in fortgeschrittenem Alter doch noch zu emanzipieren, indem er sich einer anderen Frau zuwendet. Diese fordert zudem, das mit seinem Reichtum und seiner „kannibalischen“ Liebe erdrückende Muttertier ins Jenseits zu befördern. In der Abendzeitung vom 19.10.1967 nannte Ponkie Abgründe „faszinierend wie schillernde Traumgespinste, ein wenig an die ätherisch irrationale Poesie Cocteaus erinnernd und trotz verwirrend absurder Tiefenlotungen von der Magie psychologischer Filigranzeichnungen.“ Ihr Fazit: „Ein subtil gänsehäutiger, höchst kunstvoll exzentrischer Abend.“ Ernst Johann beschrieb in der Frankfurter Allgemeinen vom gleichen Tag: „Es sind die Abgründe, die Lilienthal fesseln. Die Mittel, wie er sie optisch vorbringt und nahebringt, kennt man, und sie sind nicht einmal von ihm erfunden. Jedoch unter seiner Hand bestechen sie immer wieder: der Verzicht auf Psychologie wird aufs äußerste betrieben. Statt ihrer sind es die Dinge, die erzählen, die Gesichter, die wie Dinge behandelt werden, und die Landschaften, die aussagen. Fabeln ohne Gefühl werden durch gefühllose Sachen (zu denen die unbeteiligten Menschen gehören) dargestellt. Der Rest gehört dem Mitdenken des Zuschauers. Überflüssig zu sagen, daß sich Lilienthal nicht in der Herstellung von Stilleben erschöpft; er entdeckt den Witz der Dinge und bleibt ihm, hier mit knappen, dort mit ausführlichen Abschweifungen, auf der Spur. Ist so viel Können noch Avantgardismus?“ (gym)