Direkt zum Seiteninhalt springen
Einführung: Ivana Perica

Bereits in seinem ersten Spielfilm machte der große Anarchist des jugoslawischen Kinos, Dušan Makavejev, unmissverständlich klar, dass bei ihm kein Stein auf dem anderen bleibt. Oberflächlich betrachtet sieht man in diesem herausragenden Werk des Novi Film eine Romanze zwischen einem älteren Ingenieur und einer Friseurin, aber die zwischen Absurdität, Tragik und Banalität changierenden Ereignisse rund um ein Erzbergwerk hinterfragen konsequent die Rolle von Ideologie im Alltag der Menschen. Wie kann man die Arbeiterklasse noch darstellen? Verkraften Bilder der Arbeit Sexszenen? Und wie sollen Menschen nach den sozialistischen Sternen greifen, wenn diese ständig auf den Boden fallen? Als Gegenstück zum propagandistischen Bilderglauben, der im Proletariat strahlende Held*innen findet, hinterfragt Makavejev eben jene Kraft des Visuellen. Das gilt zum einen formal, wenn die Kamera so wild und nah durch die unwirtliche Szenerie in der von Ruß verschmutzten Kupferstadt Bor stolpert (der Film wurde mit Hilfe vieler Laien und tatsächlicher Bergarbeiter*innen vor Ort realisiert), dass die Protagonist*innen wiederholt gegen das Objektiv rennen. Man wähnt sich manchmal in einem Out-Take, nichts will hier den Eindruck eines gemachten Bildes vermitteln. Zum anderen aber gilt das selbstredend inhaltlich-ideologisch, denn der Film kritisiert das sozialistische Klassensystem. Dazu zählt auch eine in dieser Dringlichkeit selten gestellte Fragen nach Gleichberechtigung. (ph)
 

Ivana Perica, diplomierte Germanistin und Slavistin, arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Kartographie des politischen Romans in Europa am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin.

Čovjek nije ptica