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Einführung: Patrick Holzapfel

Immer wieder rutschen Kinder auf Tellern die dreckigen Hänge der terrils genannten Berghalden hinab. Es ist ihr einziger Spielplatz im Staub. Sie kommen aus eingewanderten Familien aus Polen, Jugoslawien, Griechenland und vor allem Italien in das Borinage, die vom Bergbau geprägte Industrielandschaft im Westen Belgiens. Die Kinder spielen und lachen, aber in ihre Gesten und Blicke mischt sich traurige Hoffnungslosigkeit. Regisseur Paul Meyer war vom belgischen Ministerium beauftragt worden, einen Film über die gelungene Integration der italienischen „Gastarbeiter*innen“ zu drehen. Der Filmemacher aber entschied sich, das zu zeigen, was er wirklich sah. Dieser Mut kostete ihn seine Karriere, Paul Meyer durfte kaum mehr arbeiten in Belgien.

Erst in den 1990er Jahren wiedergefunden, gilt Déjà s’envole la fleur maigre heute als einer der besten Filme über Emigration. Mit Laien gedreht, balanciert Meyer zwischen Fiktion und Dokumentation, um mit einer zutiefst humanistischen Haltung vom Leben im Ödland des Kohlereviers zu erzählen. Kleine alltägliche Episoden mit verschiedenen Protagonist*innen, vor allem Kindern, verdichten sich zu einer an den italienischen Neorealismus erinnernden Sozialstudie, die wie beiläufig von Rassismus, Entfremdung, Einsamkeit und einer sich dahinter bewahrenden Würde erzählt. Die Verlorenheit und das Heimweh der in bewegender Schönheit gefilmten Menschen hallt lange nach. Selten hat ein Film so deutlich gezeigt, wie haltlos politische Slogans sind, wenn man mit der Verzweiflung lebt. (ph)

Déjà s’envole la fleur maigre