Der Brief
Der Brief
BRD 1966, R/B: Vlado Kristl, K: Wolf Wirth, M: Gerhard Bommersheim, D: Jelena Kristl, Brigitte Laregh, Maria Schamoni, Horst-Manfred Adloff, Peter Berling, Walter Krüttner, Klaus Lemke, George Moorse, Karsten Peters, Hans Posegga, Christian Rischert, Petrus Schloemp, Eckhart Schmidt, Jörg Schmidt-Reitwein, Franz Josef Spieker, Hans Rolf Strobel, Wolfgang Urchs, Gerard Vandenberg, Max Zihlmann, 82’ · DCP, OmeU
SA 24.11. um 21 Uhr + MI 28.11. um 20 Uhr · Einführung am 24.11.: Frederik Lang „Vlado K. haut das Kino kaputt“ titelte die Zeitschrift Film im Januar 1967. Tatsächlich zeigte sich der Jugoslawe Vlado Kristl, seit 1963 im deutschen Exil lebend, auch in seinem wohl wichtigsten Film als großer Anarchist, als ein Don Quijote, der Anti- oder Keinkino machen wollte: Zwar existiert in Der Brief der ganz vage rote Handlungsfaden eines Mannes, der einen Brief findet und diesen dem Empfänger bringen will. Doch in Wahrheit gibt es hier zwar viel Turbulenz, aber keinen Plot. Stattdessen reden und schlagen egomane Menschen aufgeregt aufeinander ein, sieht man immer wieder Proteste und bürgerkriegsähnliche Szenen in den Straßen Münchens. Kristl zeigt eine außer Rand und Band geratene Welt, in der unmotivierte Gewalt und andere Absurditäten regieren – also eine sehr realistische Darstellung, die zugleich eines absurden Humors nicht entbehrt. Dass er stumm drehte und bei der Nachvertonung keinen Wert auf Synchronität zu den Bildern legte, bewirkte einen zusätzlichen Verfremdungseffekt. Der Filmemacher holte viele Freunde und deren Lebenspartner vor die Kamera, so dass in Der Brief weite Teile der damaligen Münchner Jungfilmerszene auftreten. Die weitgehend anonym bleibenden Figuren geben praktisch nur viel wirres und belangloses Zeug von sich, teils lediglich aus Worthülsen bestehend, das sie aber für sehr gewichtig halten – eine akustische Entsprechung jener Produktion von Unsinn, die heute vor allem im Netz stattfindet. Ebenso war die Fotografie ihrer Zeit weit voraus: Wolf Wirths Handkamera ist fast ständig in Bewegung, schwankt und taumelt, als würde sie von einem Amateur bedient. Im Rückblick wirkt Der Brief wie ein Vorläufer der Filme Christoph Schlingensiefs – nur besser, durchdachter, konsequenter. (gym)
SA 24.11. um 21 Uhr + MI 28.11. um 20 Uhr · Einführung am 24.11.: Frederik Lang „Vlado K. haut das Kino kaputt“ titelte die Zeitschrift Film im Januar 1967. Tatsächlich zeigte sich der Jugoslawe Vlado Kristl, seit 1963 im deutschen Exil lebend, auch in seinem wohl wichtigsten Film als großer Anarchist, als ein Don Quijote, der Anti- oder Keinkino machen wollte: Zwar existiert in Der Brief der ganz vage rote Handlungsfaden eines Mannes, der einen Brief findet und diesen dem Empfänger bringen will. Doch in Wahrheit gibt es hier zwar viel Turbulenz, aber keinen Plot. Stattdessen reden und schlagen egomane Menschen aufgeregt aufeinander ein, sieht man immer wieder Proteste und bürgerkriegsähnliche Szenen in den Straßen Münchens. Kristl zeigt eine außer Rand und Band geratene Welt, in der unmotivierte Gewalt und andere Absurditäten regieren – also eine sehr realistische Darstellung, die zugleich eines absurden Humors nicht entbehrt. Dass er stumm drehte und bei der Nachvertonung keinen Wert auf Synchronität zu den Bildern legte, bewirkte einen zusätzlichen Verfremdungseffekt. Der Filmemacher holte viele Freunde und deren Lebenspartner vor die Kamera, so dass in Der Brief weite Teile der damaligen Münchner Jungfilmerszene auftreten. Die weitgehend anonym bleibenden Figuren geben praktisch nur viel wirres und belangloses Zeug von sich, teils lediglich aus Worthülsen bestehend, das sie aber für sehr gewichtig halten – eine akustische Entsprechung jener Produktion von Unsinn, die heute vor allem im Netz stattfindet. Ebenso war die Fotografie ihrer Zeit weit voraus: Wolf Wirths Handkamera ist fast ständig in Bewegung, schwankt und taumelt, als würde sie von einem Amateur bedient. Im Rückblick wirkt Der Brief wie ein Vorläufer der Filme Christoph Schlingensiefs – nur besser, durchdachter, konsequenter. (gym)