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Am Klavier: Peter Gotthardt

Raus aus der Stadt! Danach streben am Wochenende die Heere der Angestellten und Arbeiter*innen der europäischen Großstädte in den 1920er und 1930er Jahren. Sie sehnen sich heraus aus engen Mietskasernen, sehnen sich nach einem Bad in der Natur, nach einem Flirt, nach Musik, kurzum: nach Freiräumen.

Marcel Carnés dokumentarische Amateurarbeit Nogent. Eldorado du dimanche nimmt die Kamera mit nach Nogent-sur-Marne östlich von Paris, wo sich das gelobte Land der Lohnarbeitenden ausbreitet und die Stadtbewohner*innen wieder Kraft schöpfen. Carné beschreibt nicht nur das Leben der einfachen Leute, seine Bilder und die Montage fangen vor allem eine spezielle Atmosphäre ein. So macht es ein Jahr später auch das von jungen Filmemachern um Robert Siodmak, Billy Wilder und Fred Zinnemann geschaffene Kollektivwerk Menschen am Sonntag, eine collageartige, dokumentarisch anmutende Erzählung eines Wochenendtags im Leben junger Berufstätiger, der ganz den Berliner*innen selbst gehört. Die Arbeiter-Zeitung aus Wien attestiert dem Film „photographierte Wirklichkeit“ (10.10.1930). (mbh)

Peter Gotthardt ist Komponist, Musiker und Verleger. Er komponierte die Melodien zu zahlreichen DEFA-Klassikern, darunter Die Legende von Paul und Paula (1973).

Nogent. Eldorado du dimanche.


FR 1929
35mm

R/K: Marcel Carné, 15’

Menschen am Sonntag


DDR 1930
35mm

R: Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer, Rochus Gliese, B: Billie Wilder, K: Eugen Schüfftan, Fred Zinnemann, D: Erwin Splettstößer, Brigitte Borchert, Wolfgang von Waltershausen, Christl Ehlers, 67’

Am Flügel: Eunice Martins

Siodmaks wahrscheinlich berühmtester Film steht als Solitär am Anfang einer langen internationalen Karriere. Menschen am Sonntag ist nicht nur Siodmaks einziger Stummfilm, seine Produktion gleicht auch einem Akt der Befreiung. Die Finanzierung und Herstellung des Films stehen für Abenteuerlust und eine Produktionsweise, die man erst viele Jahrzehnte später im Independent Film antrifft: eine Gruppe junger, enthusiastischer, aber weitgehend unerfahrener Filmschaffender dreht mit eigenen Mitteln und geliehener Technik einen Film, ohne jede strukturelle Absicherung – und das Wagnis wird sogar ein großer Erfolg. Menschen am Sonntag erzählt von vier jungen, gewöhnlichen, von Laien verkörperten Menschen, die einen Sonntagsausflug ins Grüne, an den Wannsee unternehmen. Sie fahren mit dem Tretboot, gehen spazieren, necken und lieben sich, ehe sie wieder auseinandergehen. Eine Allerweltsgeschichte und doch unvergesslich. Wir zeigen die restaurierte Fassung der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen. (fl)